Der Chefsteiger trifft - auch wenn's in der Pause müllert
MÜNCHEN - Starker Auftritt des Mittelfeld-Bosses im Pokal-Fight gegen Werder Bremen. Doch in der Werbung hat ihn Thomas Müller inzwischen überholt. Marketing-Experte Zastrow lobt die „bajuwarisch verschmitzte“ Art des WM-Helden
Ob seine Frau Lisa ihm die Schuhe ausgesucht hat? Thomas Müller lief am Dienstag gegen Werder mit fliederfarbenen Schuhen von Ausrüster Adidas auf. Ein höheres Laufpensum hatte keiner seiner Mitspieler in Halbzeit eins, er lieferte sich heiße Duelle mit Werders Arnautovic, war der Aktivste in der Offensive der Bayern.
Sturm und Drang, freilich ohne entscheidende Szene. Die hatte Bastian Schweinsteiger mit seinem sensationellen Weitschuss zum 2:1 in Minute 74. „Er ist der Chef auf dem Platz – und dann sind wir es auch", hatte ihn kürzlich Trainer Louis van Gaal gelobt – und das bewies der Oberaudorfer mal wieder. Er, der zuvor schon das 1:1 erzielt hatte, war die bestimmende Figur, er forderte die Bälle, verteilte sie oder knallte die Kugel eben mal unter die Latte. „Er ist auch einer meiner Kapitäne“, befand van Gaal gestern und wollte wohl auch sagen: Zu recht. „Er ist ein sehr wichtiger Spieler und hat das schon viele Male in der Saison bewiesen.“
Tatsächlich hat Schweinsteiger anders als die meisten Kollegen sich nicht nur die WM-Form bewahren können, sondern scheint in den letzten Wochen endgültig den Schritt zum Chefsteiger gemacht zu haben. Und so spricht er mittlerweile auch. „Meine Aufgabe ist es, das Spiel anzutreiben und kluge Pässe zu spielen“, meinte er, und ergänzte: „Für Tore sind in erster Linie die Offensivspieler zuständig. Aber zu meinem Job gehört auch, manchmal ein paar Tore zu machen.“ Vor allem, wenn die Offensivspieler mal wieder eher blass bleiben.
So, wie auch Müller an diesem Dienstagabend. Dem man so gerne eine Stärkung gereicht hätte.
Ihm, dem Lebensmittelexperten des FC Bayern. Müllermilch und Bifi – gibt's beides bei Rewe. Dies sind die drei Werbepartner, mit denen Müller und sein Berater, Ex-Bayern-Profi Wiggerl Kögl in den Monaten nach der WM Deals abgeschlossen haben. Seit einer Woche ist ein Spot im TV zu sehen, in dem sich der 21-Jährige mit Bayerns Stürmer-Legende Gerd Müller um einen Schoko-Drink streitet, ab sofort ist er Testimonial für „Bifi“. Müller steht für den neuen Aufschnitt der Marke, mit Gastauftritten im Spot von Ehefrau Lisa und Kumpel Christoph. Ab 2011 wirbt er an der Seite seines Nationalmannschaftskollegen Lukas Podolski für die Supermarktkette Rewe. Es müllert nun in den Werbepausen ständig.
„Thomas Müller ist witzig, frisch, unpolitisch. Er verkörpert Authentizität, dieses bajuwarisch-verschmitzte, ist locker, extrem sympathisch, unverkrampft und ganz wichtig: als Werbefigur unverbraucht", analysiert Hartmut Zastrow, Vorstand der Kölner Sponsoringberatung-Agentur „Sport+Markt“. Solch ein Typ wie Müller sei „ein Glücksfall, der macht Scherze, grüßt sogar seine Oma übers Fernsehen.“
Und so darf er nun den Werbemarkt mit der Zielgruppe Anfang 20 abräumen, aus dem Alter ist Schweinsteiger, mittlerweile 26, raus. „Er hat einen Reifeprozess durchgemacht, ist erwachsen geworden, eine feste Größe bei Bayern und in der Nationalelf", analysiert Zastrow, „da passt eine Mini-Salami nicht mehr. Schweinsteiger wächst in die Rolle eines Leaders rein." Treffer. Siehe das Siegtor gestern Abend gegen Werder Bremen, als das Aus drohte. Müller hat das Lebensmittel-Triple, der Boss auf dem Platz aber bleibt Schweinsteiger.
P. Strasser