Der Autogramm-Sammler

Christian Nerlinger ist aus dem Schatten von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge herausgetreten. Deutlich wurde dies auch bei der Vertragsverlängerung von Bastian Schweinsteiger – der den Sportchef explizit lobt.
von  Abendzeitung
Christian Nerlinger hätte gerne länger studiert - doch dann riefen ihn die Bayern.
Christian Nerlinger hätte gerne länger studiert - doch dann riefen ihn die Bayern. © dpa

Christian Nerlinger ist aus dem Schatten von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge herausgetreten. Deutlich wurde dies auch bei der Vertragsverlängerung von Bastian Schweinsteiger – der den Sportchef explizit lobt.

MÜNCHEN Die Unterschrift von Bastian Schweinsteiger? Pah, war ja gelacht. Ein Unterfangen der leichteren Sorte. Natürlich war es das nicht, doch für Christian Nerlinger waren die Verhandlungen um die Vertragsverlängerung des Mittelfeldspielers nicht der Königsjob des Jahres.

Ungern denkt er an den Ausflug der Bayern nach Transsilvanien zum Champions-League-Spiel in Cluj Anfang November zurück. Präsident Uli Hoeneß hatte seinem Herzen Luft gemacht und Trainer Louis van Gaal angezählt („Es ist schwierig, mit ihm zu reden. Weil er anderer Leute Meinung nicht akzeptiert“). Der Holländer war „enttäuscht“, der Hausfrieden massiv gestört, ja sogar die weitere Zusammenarbeit stand auf der Kippe. Neben Karl-Heinz Rummenigge war es vor allem Nerlinger, der vermitteln musste. In undankbarer Position. Dank Hoeneß’ Gnaden seit 2009 Sportdirektor – auf der anderen Seite steht keiner aus der Führungsetage dem Trainer so nahe.

Diese Tage, diese Gespräche hatten Kraft gekostet, gab er danach zu, davon müsse er sich erstmal erholen. Dennoch war er ein Gewinner: Er gewann an Profil. Van Gaal vertraut ihm wie keinem anderen, das Verhältnis ist loyal und eng. Und auch gegenüber Hoeneß und Rummenigge – nicht der einfachste Job – steht er seinen Mann.

Nerlinger ist das Bindeglied zwischen Mannschaft und Vorstand, er spricht die Sprache der Spieler. Wie sehr die meisten Profis ihn schätzen, verriet nun Schweinsteiger. Es war Nerlinger (und nicht Hoeneß oder Rummenigge), der nach dem 3:0 gegen St. Pauli auf dem Podium der Pressekonferenz saß. „Ich möchte ihm besonders danken“, sagte Schweinsteiger, „wir kennen uns schon lange und haben in den letzten Wochen sehr gute Gespräche geführt. Ich Freude mich, mit Christian zusammenzuarbeiten. Er macht einen tollen Job.“ Nerlinger schaute etwas verlegen drein, versuchte den Stolz zu unterdrücken.

Es war nicht die erste Vertragsverlängerung, die er zu großen Teilen zu verantworten hat. Nerlinger, 37, ist der Autogrammsammler. In seiner Amtszeit haben auch Philipp Lahm (bis 2016), Thomas Müller (2015), Franck Ribéry (2015) und Holger Badstuber (2014) verlängert. Es sind besonders die jungen deutschen Profis, die Nerlinger nahe stehen. Gemessen allerdings wird er wohl an der anstehenden Verpflichtung eines Außenverteidigers in der Winterpause.

Auch Nerlingers Einfluss in sportliche Belange scheint größer zu sein als vermutet. Frag nach bei Schweinsteiger: „Das Trainerteam und Christian haben einen großen Anteil an meiner Umstellung ins offensive Mittelfeld.“ Hört, hört.

„Ich verlasse mich auf meine Intuition. Für den FC Bayern muss man ein Gespür entwickeln“, sagte Nerlinger. Hat er.

Patrick Strasser

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