Der Anti-Klinsmann

Der Wunschtrainer des FC Bayern, Louis van Gaal, steht für eine andere Fußballphilosophie als der geschasste Erneuerer – aber passt er zu München und zum FC Bayern?
von  Abendzeitung
Einigt er sich mit seinem bisherigen Arbeitgeber AZ Alkmaar, ist er ab 1. Juli Bayern-Trainer: Louis van Gaal.
Einigt er sich mit seinem bisherigen Arbeitgeber AZ Alkmaar, ist er ab 1. Juli Bayern-Trainer: Louis van Gaal. © dpa

Der Wunschtrainer des FC Bayern, Louis van Gaal, steht für eine andere Fußballphilosophie als der geschasste Erneuerer – aber passt er zu München und zum FC Bayern?

MÜNCHEN Nix is fix, doch die Wetten stehen eindeutig: Wenn Louis van Gaal am Sonntag mit AZ Alkmaar das letzte Saisonspiel bestreitet und anschließend die Meisterschaft begießt, wird es wohl sein letztes Spiel als Alkmaar-Coach gewesen sein. Die Einigung mit dem FC Bayern scheint nurmehr eine Frage der Zeit zu sein.

Van Gaal also. Von einem Extrem ins andere. So haben die Bayern oft reagiert, wenn es mit der Wahl des Trainers nicht geklappt hatte. Auf das Experiment mit Jungspund Sören Lerby folgte Erich Ribbeck, ein Mann der alten Schule. Auf den am Ende seiner ersten Bayern-Ära im Umgang mit den Stars großzügigen Ottmar Hitzfeld folgte der knallharte Felix Magath. Als dessen Zeit vorbei war, folgte wiederum Hitzfeld.

Diesen Reflex zeigen die Bayern-Bosse jetzt auch. Klinsmann, der junge, frische Sommermärchler, der Fußball-Neuerfinder, der One-Touch-Verfechter – so sahen sie den 44-Jährigen. Es ging schief. Es kam Jupp Heynckes, 63, ein Coach der Old School. Alte Werte für die auch Wunschkandidat Louis van Gaal (57) steht.

Er ist der Anti-Klinsmann, der von den Bossen erwünschte „Fußball-Lehrer“. Doch passt der Holländer wirklich nach München, zum FC Bayern? Präsident Franz Beckenbauer überriss das Anforderungsprofil so: Der Neue müsse „alles können, um in diesem Verein zurechtzukommen: Glück und Erfolg haben und das Wichtigste: die Spiele gewinnen. Ganz einfach.“ Glück ist nicht planbar – und der Rest?

Die sportliche Komponente: Vorstandsberater Paul Breitner ließ tief blicken, als er van Gaal lobte: „Er hat etwas geschafft, was einen großen Trainer auszeichnet. Er hat aus einem mittelmäßigen Team eine Spitzenmannschaft geformt. Das ist ein Kriterium für einen Toptrainer.“ Van Gaal soll die Mannschaft langfristig entwickeln. Klinsmann wollte zu schnell zu viel. Wollte die alte, traditionelle Bayern-Spielweise (abwartend, bedächtig, dann aber clever und eiskalt) revolutionieren. Van Gaal lässt einen offensiven, aber nicht zu riskanten Fußball spielen, eine Ausrichtung, die eher zum FC Bayern im Hitzfeld’schen Sinne passt. Ohne viele Experimente, mit klarem 4-4-2. Da bleiben keine Ausreden oder Alibis.

Der Umgang mit den Stars: Van Gaal gilt als prinzipienfest, rechtschaffen, als überaus korrekter Mensch. Wenn ein Spieler nicht so will wie er, kann er ungemütlich werden. Bei Barca überwarf er sich mit Riquelme; der Argentinier zog den Kürzen und bald darauf Leine. Als Bondscoach der Holländer hatte er die Fraktion der alten Ajax-Helden Davids, Kluivert und Co. hinter sich – an diesem Konflikt zerbrach die Mannschaft, man scheiterte 2002 in der WM-Qualifikation. Klinsmann dagegen wollte ständiger Ansprechpartner für die Profis sein, in allen Sprachen, ein Vertrauter. Doch er degradierte Podolski, van Bommel und Rensing. Das passte nicht zusammen.

Der Umgang mit den Medien: Klinsmann hielt stets Distanz zu den (meisten) Journalisten, gab sich aber offen und freundlich in den Medienrunden. Fragen zur Privatsphäre entgegnete er meist nur ein Lächeln: keine Chance. Van Gaal gilt als reizbar: Einem holländischem TV-Mann schlug er gegen die Kamera. Hinter fast jeder Frage vermutet er eine Hinterlist. Generell – so holländische Kollegen – lässt er sein Gegenüber spüren, dass er davon ausgeht, in jedem Fall mehr über Fußball zu wissen.

Die Kooperation mit den Bossen: Mit Klinsmann kauften die Bayern ein Konzept ein, schnell aber redeten Hoeneß und Rummenigge auf ihn ein, als sie Gefahr witterten. Klinsmann ging darauf ein – entgegen seinen Prinzipien. Er wurde Klinsi light, machte sich angreifbar. Van Gaal gilt als knorrig, kompromisslos. Ungern lässt er sich in Personalpolitik sowie Transfers hineinreden. Als Vorbild in der Art seiner Selbständigkeit gilt José Mourinho, jetzt bei Inter Mailand. Dessen Eigensinn und Extravaganz ist bekannt. Bleibt also die Frage, wie sehr sich Beckenbauer sowie der Vorstand in van Gaals Arbeit einmischen würden – und inwieweit er es zulassen würde.

Patrick Strasser

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