"Dem FC Bayern könnte ein Jahr ohne Titel gut tun"
Marcel Reif über geschasste Trainer, die Chancen der Bayern in der Champions League und Jupp Heynckes
AZ: Herr Reif, diese Woche erfuhr Louis van Gaal, dass er zum Saisonende gehen muss. Auch für Felix Magath ist die Zeit auf Schalke wohl vorbei. Armin Veh macht beim Hamburger SV Schluss. Warum passiert das gerade jetzt?
MARCEL REIF: Die Klubs wollten es erzwingen. Jetzt kann man sich beim Blick auf die Tabelle nichts mehr vormachen. Für die Entscheidungen hat jeder Verein seine eigenen, nachvollziehbaren Gründe. Interessant wird jetzt zu sehen, wie die Spieler damit umgehen, dass sie noch neun Spiele in der Liga mit Trainern absolvieren, die bald nicht mehr ihre sind.
Kann das beim FC Bayern klappen?
Für die Champions League mache ich mir da keine Sorgen. Die Mannschaft braucht für das Rückspiel gegen Inter Mailand eigentlich keinen Trainer, dafür sind sie sowieso ausreichend motiviert. In der Liga ist das schon spannender, hier muss das Team Pflichtaufgaben erfüllen, genauso wie Schalke. Mindestens der dritte Platz ist für den FC Bayern Pflicht.
Können Sie die Entscheidung, Louis van Gaal zu entlassen, aus Sicht der Vereinsführung nachvollziehen?
Ja. Irgendwann kommt man in so einem Fall zu dem Ergebnis, dass es einfach nicht funktioniert und die Philosophie des Trainers und des Vereins nicht übereinstimmen. Das kann man respektieren.
Als ein möglicher Nachfolger wird Bundestrainer Joachim Löw gehandelt.
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich glaube nicht, dass Löw Tag und Nacht nicht schläft, weil er unbedingt zum FC Bayern will. Wenn die EM 2012 ähnlich gut läuft wie die WM in Südafrika, wird er wohl weitermachen. Schließlich hat er einen Luxusjob und so viele gute und junge Spieler zur Verfügung wie seit Jahren nicht. Wenn man sich aber das Turnier in Südafrika ansieht, ist klar, dass so ein Trainer ein Thema für den FC Bayern sein muss.
Wie gehen die Spieler jetzt mit dem Wissen um, dass van Gaal nur noch Trainer auf Zeit ist?
Sie müssen sich dessen, was in den vergangenen Spielen alles nicht gut gelaufen ist – und das war eine ganze Menge – bewusst werden. Van Gaal kann dafür kein Alibi sein.
Sie werden das Champions-League-Finale am 28. Mai in Wembley kommentieren. Möglich, dass dann auch der FC Bayern auf dem Platz steht?
Ich glaube nicht, dass wir sie auf keinen Fall da sehen werden. Die Mannschaft hat die Möglichkeit und die Qualität, das Finale zu erreichen. Ein FC Bayern in Hochform ist für mich ein möglicher Endspielteilnehmer.
Und wenn sie gewinnen – was wird dann aus van Gaal?
Es geht ja nicht nur um Ergebnisse, sondern auch um die Art des Umgangs. Da steht der Klub mit dem Wertesystem, das er verkörpert, darüber. Deshalb ist es nachzuvollziehen, dass er geht, selbst wenn der FC Bayern die Champions League gewinnen sollte. Und die Mannschaft spielt ja auch noch mit.
Wie kann der FC Bayern nach den Experimenten Klinsmann und van Gaal wieder zur Ruhe kommen?
Bei diesem Verein gibt es keine Übergangs-Saison. Dort ist man zum Erfolg verdammt. Trotzdem würde dem FC Bayern ein ruhiges Jahr selbst ohne Titel vielleicht gut tun. Dann könnte man mit Konstanz und Plan arbeiten. Dafür stünde Jupp Heynckes mit seiner sachlichen Art. In Leverkusen hat er gezeigt, dass er mit jungen Spielern und auch mit Stars umgehen kann. Das wäre eine gute Übergangslösung für zwei Jahre, um das Ganze zu beruhigen. Doch Heynckes hat sich in Leverkusen etwas aufgebaut, ich bin mir nicht so sicher, ob er das nicht gerne zu Ende bringen würde.