Dem FC Bayern fehlen die Leader: Trainer Tuchel hat komplettes Führungsproblem

München - Ein Sechser, ein Mittelstürmer und ein Torwart-Ersatz für Manuel Neuer: So sah die Transfer-Wunschliste von Bayern-Trainer Thomas Tuchel für diesen Sommer aus. Doch bislang hat der Coach nur einen dieser Wünsche erfüllt bekommen.
Ernüchternd – und äußerst problematisch kurz vor dem Bundesligastart am kommenden Freitag gegen Werder Bremen. Denn ohne Top-Personal auf diesen Schlüsselpositionen kann auch keine Achse entstehen – die braucht es allerdings für Erfolge auf höchstem Niveau. Das zeigte sich auch bei der bösen 0:3-Pleite im Supercup gegen RB Leipzig am vergangenen Wochenende, als die Mannschaft konzept- und führungslos auftrat und einen bedenklichen Eindruck hinterließ.
Alaba, Thiago, Lewandowski: Die Säulen von einst hat der FC Bayern abgegeben
Bei Bayerns Triple-Triumph 2020 etwa hießen die Säulen von hinten nach vorne Neuer, David Alaba, Thiago, Thomas Müller, Robert Lewandowski. Aktuell steht kein einziger dieser Stars mehr auf dem Platz. Alaba, Thiago und Lewandowski wurden abgegeben, neben Neuer (Reha nach Beinbruch) muss auch Müller (Hüftprobleme) immer öfter pausieren. Der Routinier ist als Zehner ohnehin nicht mehr gesetzt, Jamal Musiala hat ihn überholt.
Der bayerische Achsenbruch, der zwangsläufig zu einem Führungsproblem führt. Auf dem Platz, aber auch daneben. Ein Beispiel: Im Trainingslager am Tegernsee fiel es den Münchnern schwer, überhaupt mal einen Spieler zu finden, der zur Öffentlichkeit spricht.
Zeit nach Neuer und Müller: Wer soll diesen FC Bayern eigentlich verkörpern?
Müller und Neuer trainierten die meiste Zeit individuell an der Säbener Straße, bei zahlreichen Stars gab es Abschiedsgerüchte, sodass sich niemand äußern wollte – außer Trainer Tuchel. Und so fragte man sich: Wer soll diesen FC Bayern eigentlich verkörpern, wenn Müller und Neuer, deren Verträge 2024 auslaufen, nicht mehr da sind?
"Es fehlen die Figuren, die vorangehen", sagt Sky-Experte Didi Hamann mit Blick auf den aktuellen Kader. "Du brauchst aber zwei, drei Spieler, denen alles folgt – wie früher Alaba, Neuer, Müller. Ich hatte gedacht, dass Goretzka so eine Rolle ausfüllen kann, bei Bayern und in der Nationalmannschaft. Hat er aber nicht. Er hat versucht, außerhalb des Platzes mehr Einfluss zu nehmen. Und Kimmich ist umstritten. Schwer!"
Thomas Müller und Manuel Neuer: Ein großes Fragezeichen für den FC Bayern
Goretzka wurde von Tuchel in der Vorbereitung zum Einwechselspieler degradiert, Kimmich bekam vom Trainer zu hören, dass er kein echter Sechser sei. Das schwächte die Stellung der beiden DFB-Stars, die eigentlich mal ausgewählt worden waren, in Neuers und Müllers Fußstapfen als Führungsspieler zu treten. Danach sieht es derzeit nicht aus. Am ehesten taugt noch Abwehrchef Matthijs de Ligt (23) für diese Rolle.

Bei Goretzka würde sich Hamann "überlegen, ihn abzugeben", obwohl er den Mittelfeldspieler grundsätzlich schätzt: "Er hat eine körperliche Präsenz, ist schnell, kann den Ball treiben. Aber dafür macht er zu wenige Tore, nimmt zu wenig Einfluss aufs Spiel. Und ich höre, dass er kein guter Bankspieler sein soll."
Das ist auch nicht die Paraderolle von Müller – aber die neue Realität. "Er wird Ergänzungsspieler sein, die Thomas-Müller-Spiele werden nicht mehr in dieser Saison", sagt Hamann, der auch nicht an ein DFB-Comeback von Müller im September glaubt: "Vielleicht wird er im Februar, März nächstes Jahr gebraucht." Für die Heim-EM. Aber wie bei Neuer bleibt ein großes Fragezeichen.