Deislers Bekenntnisse: "Ich habe Krieg geführt gegen meinen Körper"
Zwei Jahre nach dem Rücktritt gibt Ex-Bayer Sebastian Deisler in einem Buch seine Gefühle preis – und attackiert den früheren Hertha-Macher Hoeneß.
MÜNCHEN Uli Hoeneß lag schon im Bett in jener Nacht im Januar 2007 in Dubai, als gegen halb ein Uhr nachts sein Handy klingelte. Dran war Sebastian Deisler; der ebenso talentierte wie sensible Kicker wollte, er musste mal wieder mit dem Manager reden. Wie so oft in diesem Trainingslager in Dubai, das für Sebastian Deisler das letzte als Profifußballer sein sollte, ging es um das sich anbahnenden Karriereende Deislers. Hoeneß hörte dem 26-Jährigen geduldig zu. Er versuchte, ihm Zweifel, die Selbstzweifel auszureden. Nach zwei, drei Stunden, in denen Hoeneß zwei Bier trank, ging der Manager schlafen. Am nächsten Morgen, eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn, fand er Deisler im Gästebereich der Manager-Suite auf der Couch schlafend.
Am 16. Januar 2007 gaben Deisler und Hoeneß, zurück in München, das Karriereende des wohl talentiertesten deutschen Mittelfeldspielers jener Jahre bekannt. Auch Hoeneß hatte Deisler nicht umstimmen können. Das Jahrhunderttalent hatte den Kampf gegen seinen Körper und seinen Geist aufgegeben. Um ihn, Jahre später, vielleicht doch noch zu gewinnen.
„Zurück im Leben“ (Verlag Edel, 22,95 Euro, erscheint am 8. Oktober) heißt das Buch des Berliner Journalisten Michael Rosentritt, dem Deisler in langen, intensiven Gesprächen seine Geschichte vom Leiden und Leben erzählt hat. Im „Stern“ erscheinen heute Auszüge. „Ich habe Krieg geführt gegen meinen Körper“, erzählt Deisler da. „Mein Ehrgeiz hat meine Knochen kaputt gemacht und dann meinen Kopf“, sagt Deisler. Es ist die Geschichte eines Ausnahmefußballers, der sich verpflichtet fühlte, aller Welt zu zeigen, dass er das viele Geld, das er verdiente, auch wirklich wert war.
Als Deisler 2002 von Hertha BSC zum FC Bayern wechselte, war er schon ein gebrochener Mann. Als bekannt wurde, dass der Rekordmeister ihm ein Millionenhandgeld überwiesen hatte, hatte er Morddrohungen erhalten, der damalige Hertha-Manager Dieter Hoeneß habe ihn mit der öffentlichen Stimmung aber allein gelassen: „Stattdessen hat er zugesehen, wie ich aus Berlin hinausgeprügelt wurde. Das ist es, was mir den Fußball versaut hat. Das war mein Genickschuss. Heute weiß ich, dass ich damals hätte aufhören müssen“, sagt Deisler nun der „Zeit“.
Aber er versuchte es in München – mit Stärke: „Unangreifbar wollte ich werden und machte aus mir einen Panzer“, sagt Deisler, „ich habe meine Mitspieler als Panzer gesehen, die alles aushalten. Nichts konnte sie umhauen, so habe ich das damals empfunden“, steht in dem Buch.
Doch sein Körper wollte kein Panzer sein, sein Körper rebellierte. Deisler verletzte sich. Immer und immer wieder: Knorpelschäden, Kreuzband- und Kapselriss, Leistenoperation, Kniescheibenprobleme. Und dann rebellierte auch seine Seele. Deisler bekam Depressionen, 2003 ließ er sich zum ersten Mal im Max-Planck-Institut stationär behandeln. Vier Jahre später beendete er seine Karriere.
Heute gilt er als geheilt, auch wenn ihm „manchmal noch der Mut“ fehlt, „nach vorne zu gehen, weiterzugehen“. Einstweilen ist Deisler, der sein ganzes Leben auf der Flucht gewesen sei, aber erstmal zurückgekehrt. Vor zwei Wochen ist er von Berlin in seine Heimatstadt Lörrach gezogen. „Vielleicht mache ich eine Fußballschule auf“, hat er der „Zeit“ verraten. Um Kindern Spaß am Fußball zu vermitteln. Ganz ohne Druck.
fil