Debüt auf dem Rathausbalkon: Bayern-Coach Nagelsmann will (noch) kein Feierbiest sein

München - Wer bei einer Titelparty des FC Bayern das Mikrofon in die Hand gedrückt bekommt, ist gefordert. Dann müssen große Worte her - oder eine Gesangseinlage. Als die Münchner 2013 ihr Triple vom Rathausbalkon aus mit ihren Fans auf dem Marienplatz feierten, feierte sich Triplemacher Jupp Heynckes selbst und stimmte den "Jupp! Jupp! Jupp!"-Sprechchor gekonnt an.
Meisterfeier am Marienplatz: Nagelsmann noch wenig euphorisch
Der Erfolgstrainer hatte allen Grund dazu, schließlich hatte er 1990 lauthals getönt: "Ich verspreche euch hiermit, im nächsten Jahr den Europapokal zu holen". Lockere 23 Jahre später löste er das Versprechen ein.
Giovanni Trapattoni und Stürmer Ruggiero Rizzitelli stimmten 1997 den italienischen Welthit "Volare" (eigentlich "Nel blu dipinto di blu") an. Louis van Gaal, das selbst ernannte Feierbiest, grüßte am Muttertag 2010 mit "ein Kuss für alle Muttis!" und hängte selbstverliebt eine seiner stattlichen Wadln über die Brüstung. Und diesen Sonntag, wenn die Bayern nach zwei Jahren Unterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie, im Herzen von München wieder feiern können? Auch wenn es nicht das Triple, nicht das Double, sondern nur der Single-Titel Meisterschaft ist?
Von einer Gesangseinlage wusste Trainer Julian Nagelsmann nichts. Überhaupt klang der 34-Jährige am Freitag wenig euphorisch, was seinen ersten Rathausbalkon-Besuch angeht. Der Meistercoach gab sich nachdenklich, als er an der Säbener Straße über seine Premieren-Saison in München sprach, die "kurzweilig, aber leider schnell vorbei" war. Vor allem wegen des Ausscheidens im Champions-League-Viertelfinale. Auf die Frage, was bei ihm hängengeblieben ist, antwortete der Landsberger: "Es ist kein Selbstläufer, den FC Bayern zu trainieren."
Darum ist die Vorfreude bei Julian Nagelsmann getrübt
Fürwahr. Und dass Feiern gelernt sein will, gehört zum neuen Erfahrungsschatz von Nagelsmann. "Es ist nicht ganz so emotional, wie ich es mir erhofft habe", gab er ehrlich zu, was auch damit zu tun habe, dass der Zieleinlauf, das 3:1 gegen Borussia Dortmund, schon drei Wochen zurückliegt. Also ebenso Vergangenheit ist wie die Übergabe der Schale letzten Samstag nach dem 2:2 gegen Stuttgart. "Ich freue mich schon", betonte Nagelsmann, "aber so richtig frohlockend ist es jetzt nicht und ein bisschen getrübt durch die Ereignisse."
Und die Ergebnisse. Dann bekam Nagelsmann noch die Kurve, sagte: "Ich freue mich, dass ich das erste Mal da oben stehen werde - aber es ist eher ein Moment für die Spieler." Und: "Ein Feierbiest werde ich, wenn ich mal mehrere Titel habe. Es wäre jetzt unangebracht, wenn ich da oben eskaliere, weil ich einen Titel gewonnen habe."
FC Bayern: Nächste Saison soll alles besser werden
Da schätzt einer die Lage sehr realistisch ein vor dem letzten Saisonspiel beim VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im AZ-Liveticker). Beim dritten Meisterschaulaufen, bisher gab es ein enttäuschendes Remis (gegen den VfB) und eine erschreckende Pleite (das 1:3 in Mainz), muss Nagelsmann auf den rot-gesperrten Kingsley Coman sowie die erkrankten Corentin Tolisso und Marc Roca verzichten. Josip Stanisic, das kündigte er an, wird von Beginn an auflaufen.
Und nächste Saison? Soll alles besser werden wie er den Mitarbeitern bereits per Megafon versprochen hat. Die Eindrücke ebenso wie die Erlebnisse & Ergebnisse. Nagelsmann: "Die Spieler wollen immer wieder Feedback haben. Ich kann sagen, dass es einen nervigeren Bayern-Trainer in der neuen Saison geben wird. Ich werde nicht weniger, sondern mehr coachen." Na dann: Am 8. Juli ist Trainingsauftakt.