David Alaba: Der scheue Schneckerl
Beim FC Bayern trauen sie Alaba nicht nur die Schweinsteiger-Vertretung zu: „Ihm gehört die Zukunft!” Und die Österreicher glauben sogar, einen neuen Prohaska entdeckt zu haben
München - Auch David Alaba trägt sie, diese Riesendinger. Kaum ein Spiel, nach dem man den 19-Jährigen nicht mit den Kopfhörern Marke XXL aus der Kabine Richtung Ausgang schlurfen sieht. Ein Modetick, klar. Wer was auf sich hält in Kickerkreisen, hat diese Lauscher mit dem „b”, das für „beats by dr. dre” steht, in seiner Sporttasche.
Bei Alaba, dem jüngsten im Profi-Kader des FC Bayern, ist es auch ein Selbstschutz. Wenn er nach Spielen an den Journalisten vorbeigeht, setzt er einen möglichst unschuldigen wie unbeteiligten Blick auf. Wenn ihn einer anspricht, lüftet der Österreicher kurz die Kopfhörer und lässt sich meist entschuldigen. Die Medienwelt ist nicht sein Ding; aus der Pressestelle heißt es, dass man dem Kerl keinen Gefallen tue mit einer größeren Interview-Runde. Dann könne er die Nacht davor kaum ein Auge zu tun.
Also sprach er in dieser Saison nur ein Mal bisher. Im Trainingslager am Gardasee – da war der Beginn der Pflichtspiele vier Wochen entfernt. Und sein Dasein beim FC Bayern nicht geklärt. Der Verein bemühte sich vehement um Jupp Heynckes’ Lieblingsspieler Arturo Vidal, der als Nebenmann für Bastian Schweinsteiger vorgesehen war. Man scheiterte an der Leverkusener Sturheit, da die Verantwortlichen den Chilenen nur ins Ausland verkaufen wollten. Turin erhielt den Zuschlag. Hätte der Vidal-Deal geklappt, wäre Alaba wohl in der Sechser-Hierarchie an fünfter Stelle gewesen. Noch hinter Luiz Gustavo und Anatoliy Tymoshchuk. Doch Heynckes legte ein Veto bei den Gedankenspielen ein, Alaba wie in der Rückrunde letzte Saison auszuleihen, damals bereicherte er Hoffenheim.
"In ein oder zwei Jahren ein Top-Spieler"
„David könnte in jeder Bundesligamannschaft Stammspieler sein”, betont Heynckes immer. Er sieht in Alaba „in ein oder zwei Jahren einen Top-Spieler. Ihm gehört die Zukunft beim FC Bayern.” Und das geht schneller als gedacht. War er in dieser Saison meist nur die Ablösung für einen ermatteten Franck Ribéry oder einen maladen Arjen Robben auf den Außenpositionen, soll er nun eine wichtigere Rolle übernehmen: Bastian Schweinsteiger ersetzen. Schlicht und einfach. Den Bayern fehlt der Mittelfeld-Chef nach seinem Schlüsselbeinbruch im Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel (3:2) bis zur Rückrunde.
Heißt: Mehr Verantwortung, der eher schüchterne, schmächtige Kerl muss mehr aus sich rausgehen, Kommados geben. „David hat diese Rolle im zentralen Mittelfeld in Hoffenheim gespielt. In der letzten Zeit hat er sein Spiel umgestellt, ist viel ruhiger am Ball, agiert mit mehr Übersicht. Im Pokal gegen Ingolstadt hat er ein sehr gutes Spiel gemacht”, sagte Heynckes und erzählte: „Ich habe diese Woche lange mit seinem zukünftigen Nationaltrainer Marcel Koller telefoniert und über die möglichen Positionen gesprochen. Koller sieht ihn links oder im defensiven Mittelfeld.”
In Österreich gilt Alaba mit seinem breiten Lächeln und den kugelrunden Augen als größtes Talent des Landes und Hoffnung auf bessere Zeiten – bei einem großen Turnier. Manche nennen ihn den nächsten Herbert Prohaska, den legendären Mittelfeld-Antreiber der 70er und 80er Jahre. Wegen seiner in jungen Jahren üppigen Lockenpracht wird Prohaska heute noch „Schneckerl" gerufen. Ob dieser Spitzname dem Bayern-Teenie gefallen dürfte? Schneckerl Alaba? Klingt nicht schlecht.