Das Trainerfüchsle
„Freude! Freude! Freude!“ Mit vier geschickten Maßnahmen dreht Jürgen Klinsmann das Spiel - Bayern gewinnt gegen Wolfsburg nach einem 0:2 noch 4:2!
MÜNCHEN Seht her, Leute, ich war’s. Fließe aller Ruhm und Jubel zu mir. Jürgen Klinsmann hatte nach dem Treffer von Tim Borowski zum 3:2 gegen Wolfsburg seine Arme weit ausgebreitet, die Handinnenflächen dabei nach oben gerichtet. Regungslos – und nicht hemmungslos insfeldspringend wie sonst nach Toren, so stand Klinsmann da.
Er wollte zeigen: Leute, das war mein Coup. Nach 0:2 ein 3:2, später gar 4:2. Wer hat’s geschaffen? Zum ersten Mal seit dem 21. Mai 1988, seit einem 4:3 in Leverkusen, gewann Bayern nach einem Zwei-Tore-Rückstand. Damals lag Bayern sogar 0:3 zurück, eine Kobra, Jürgen Wegmann war es, sorgte für den Sieg. Der Trainer damals: Jupp Heynckes, schon damals ein alter Hase, wie man so sagt.
Es war Klinsmanns neuntes Bundesligaspiel als Coach, sein 14. Pflichtspiel insgesamt. Und sein wertvollster Sieg. Für ihn, den Autodidakten im ersten Vereinstrainerjahr. „Verheerend“, so Christian Lell, wäre eine erneute Heimpleite gewesen.
Was ein Blick auf die Halbzeittabelle von Samstagnachmittag, 16.15 Uhr, zeigt: Durch das 1:2 gegen Wolfsburg stand Bayern mit 12 Punkten und drei Pleiten aus neun Spielen auf Rang 12, vier Zähler vor einem Abstiegsplatz. Ein dummes Foul durch Demichelis, Abwehr-Blackouts durch Lucio, lasches wie ideenloses Gekicke nach vorne. Vereinzelt halten „Klinsmann raus“-Rufe durch die Arena.
Die Herbstmeisterschaft hatten die Bosse vor der Partie als Ziel bis Weihnachten ausgegeben, in der Pause „dachte ich höchstens, dass wir Hausmeister werden“, gestand Manager Uli Hoeneß. Die Meisterschale war nur noch durch ein Fernglas erkennbar. Hoeneß: „In der Halbzeit war sie hinter den Alpen – jetzt sind wir wieder dran.“ Dank Klinsmann? Ja, dank Klinsmann. Das 3:0 der zweiten Halbzeit war sein Machwerk. Er, das Trainerfüchsle aus Göppingen.
1:2 und Pfiffe um 16.15 Uhr. Eine Stunde später war Bayern Vierter (vor Anpfiff der Sonntagsspiele), vier Zähler von einem Champions-League-Platz entfernt. „Deutscher Meister wird nur der FCB“ und „Oh wie ist das schön“, sangen die Fans. Aus 1:2 ein 4:2. Ein heißes Spiel. Um 180 Grad gedreht. „Die Mannschaft hat in einem aussichtslosen Spiel mit einer grandiosen zweiten Halbzeit die Zuschauer begeistert“, sagte Hoeneß.
Was aber hatte Klinsmann gemacht? Vier Maßnahmen: Er wechselte den erstmals indisponierten Rechtsverteidiger Oddo aus, stellte den schwachen Lell von der linken Seite der Viererkette auf rechts (Lell: „Da fühle ich mich wohler, das gibt mir mehr Sicherheit“), verschob den ballsicheren Zé Roberto auf die linke Verteidigerposition und wechselte Tim Borowski ein, der mit einem couragierten Auftritt den einzig kreativen Franck Ribéry unterstützte. Alles ging auf. „In der Pause haben wir ganz klar gesagt, dass es nur über Kampf geht“, sagte Klinsmann. Er fügte hinzu: „Und über Arbeit! Arbeit! Arbeit!“
Für Ex-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld war dies alles „ziemlich meisterlich“. Hoeneß frohlockte schließlich: „Heute gibt es nur eines: Freude! Freude! Freude!“
Patrick Strasser