Das Säbener Puzzle
Am Sonntag steht mit dem DFB-Pokalspiel bei RW Erfurt das erste Pflichtspiel der Saison auf dem Programm. Gerade in dieser Woche häufen sich die Probleme bei Bayern. Viele Verletzte, keine eingespielte Mannschaft. Klinsmann sagt, es sei ein Puzzle. Doch es fehlen noch die größten Teile – die das Spiel zusammenhalten
MÜNCHEN An der Säbener lief gestern schon Olympia. Auf allen Bildschirmen. Weil ein Bayer spielte. Ein brasilianischer Bayern, der Breno. „Wir haben in der Früh eine Fitnesseinheit im Kraftraum gemacht, da lief natürlich das Spiel der Brasilianer gegen Belgien. Auch während des Mittagessens haben wir reingeschaut“, berichtete gestern Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann. „Brasilien hat gewonnen. Breno hat 90 Minuten gespielt. Super.“
Endlich mal eine gute Nachricht für Klinsmann. Rein personell gesehen. Doch die Olympia-Teilnahme Brenos macht dem Coach schon wieder einen Strich durch seine Vorbereitungs-Rechnung. „Normalerweise würde Breno jetzt Demichelis in der Innenverteidigung ersetzen. Also kann ich derzeit kein neues System wie das 3-5-2 oder ein 3-4-1-2 einstudieren. Mit Martins Verletzung hat sich das Thema erledigt, es ist nicht machbar.“ Noch ein Problem für Klinsmann. Doch Klinsmann lacht. Er freut sich. Über seinen Job. Über seine Aufgabe. Auf die neue Saison. Selbst auf die undankbare Hürde Erfurt in der ersten Runde im DFB-Pokal am Sonntag (20.30 Uhr. ZDF und Premiere live).
„Schön, dass es jetzt losgeht“, sagte Klinsmann. Angesprochen auf die enorme, besorgniserregende Verletztenliste, machte Klinsmann ein Gesicht, als habe man ihm gesagt, es gebe kein Vanille-Eis. Dann eben was anderes. Was soll’s? „Wir können nichts ändern. Das wird die ganze Saison über so sein, dass Spieler ausfallen. Wir nehmen’s, wie es kommt.“ Aber, aber. Egal, wer fehlt: Wir sind der FC Bayern, vermittelt Klinsmann in der Presserunde, spricht mit lauter Stimme: „Wir wollen am Sonntag in Erfurt für klare Verhältnisse sorgen.“ Na also, mir san mir. Auch wenn mir nicht mehr so gut sind und wenn mir viele Ausfälle haben. Mir san malad: Franck Ribéry, Willy Sagnol, Tim Borowski, Martin Demichelis und Torhüter Hans Jörg Butt. Gestern bestätigte Klinsmann, dass ein Einsatz von Luca Toni (Muskelfaserriss) auch in Thüringen ausgeschlossen ist. „Er konnte nicht trainieren, das Spiel am Sonntag kommt für ihn zu früh.“
Stichwort Zeit. Für Klinsmann wird sein erstes Klubtrainer-Jahr zum Geduldspiel. Er will seine Philosophie, seine Handschrift an den Mann, sprich an den Spielern und an den Fan bringen. „Das wird Monate dauern, vielleicht auch ein, zwei Jahre“, räumte er ein. Klinsmann sei selbst gespannt „wie das in ein paar Monaten ausschauen wird.“ Gestern erklärte er: „Der Feinschliff ist jetzt noch nicht möglich. Wir müssen parallel verschiedenartig arbeiten, um die EM-Nachzügler oder die Verletzten auf denselben Stand zu bringen. Es fehlen eben noch ein paar Puzzle-Teile.“ Allerdings die größten Teile. Die, die das große Ganze zusammenhalten. Toni und Ribéry etwa, in der Abwehr nun Demichelis. „Wir müssen also jetzt schon für die Zukunft arbeiten. Es dauert eben so und so viele Momente, bis sich das System und die Feinabstimmung automatisiert haben. Dafür braucht es Zeit.“ Für Klinsmanns Säbener-Puzzle.
Nur wie lange? „Ob ein halbes Jahr oder ein ganzes oder ob alles erst im zweiten Jahr passt – ich weiß es nicht. Was wir aber wissen und was auch völlig richtig ist: Wir werden von Tag eins an am Erfolg gemessen.“ Erfurt ist Tag eins.
„Mitte September will ich zurückkommen“, sagte Puzzle-Stück Franck Ribéry, „ich habe keine Schmerzen mehr.“ Sein Syndesmosebandriss war Bayerns größte Sorge, nun sagt Ribéry: „Wir stehen erst am Anfang, es ist schwer für uns. Wir hoffen dass sich jetzt alles schnell zusammenfügt.“ Im Gemeinschaftspuzzle.
Patrick Strasser