Das Projekt, Teil zwei
BUKAREST - Im Uefa-Cup haben die Bayern letzte Saison geübt. Ab heute wollen sie glänzen – in der Champions League, in Europas Spitzenklasse. Und spätestens 2010 oder 2011 den Cup wieder nach München holen.
Noch ist keine Minute gespielt in der neuen Champions-League-Saison, schon hat Jürgen Klinsmann eine erste Maßnahme getroffen: Die Krawattenpflicht auf Europacup-Reisen ist offiziell aufgehoben. Zum schwarzen Anzug genügte gestern erstmals ein schwarzes Hemd.
Der neue Bayern-Trainer selbst mag’s ja eher locker, trägt gerne Polo-Shirts oder Hemden ohne Binder. Die Spieler wird es gefreut haben, so mancher hatte ja seine Schwierigkeiten mit dem Knoten, oft musste ein Vereinsmitarbeiter noch am Flughafen rasch Hand anlegen.
Aus und vorbei. Wie die lästige Pflicht, vergangene Saison eine Strafrunde durch den Uefa-Cup drehen zu müssen. Wenn die Großen Europas dienstags und mittwochs begeisterten, warteten die Bayern auf ihren Auftritt im Donnerstags-Cup gegen No-Names wie Braga, Bolton oder Getafe. Alles nur noch Gekicke von gestern.
„Wir spielen jetzt wieder in der Champions League – jetzt sind wir glücklich“, sagte Vereinsboss Karl-Heinz Rummenigge gestern am Reisetag zum Auftakt der Gruppenspiele bei Steaua Bukarest (20.45 Uhr, Sat.1 und Liveticker auf abendzeitung.de).
„Die Freude ist groß, dass wir wieder dabei sind“, meinte Manager Uli Hoeneß. Hart war die Abstinenz von einem Jahr und fünf Monaten. Das letzte Spiel in Europas erster Klasse? Ein 0:2 gegen den AC Mailand im April 2007, es bedeutete das Aus im Viertelfinale. Was folgte, war ein Großeinkauf. Erst jetzt können die Bayern die Ergebnisse ihrer größten Shopping-Tour aller Zeiten (Ribéry, Toni, Klose & Co. kamen für insgesamt rund 70 Millionen Euro Ablöse) dem Rest Europas präsentieren. Hoeneß: „Es war bei den Verhandlungen im Sommer 2007 schwierig genug, Toni und Ribéry zu überzeugen, dass das Uefa-Cup-Jahr nur ein Intermezzo sein würde.“
Die Bayern haben einen Vierjahresplan, auch Hoeneß benutzt nun Klinsmann-Terminologien, spricht von einem Projekt. „Wir haben gesagt, dass wir uns in der Saison mit dem Uefa-Cup einspielen wollen, jetzt wird das Projekt weitergeführt“, sagte Hoeneß, der als Ziel aber erst einmal „das Überstehen der Gruppenrunde“ und die „Eichhörnchen-Taktik“ ausgerufen hat. Hoeneß: „Erst im nächsten Jahr oder spätestens im übernächsten Jahr wollen wir das Projekt perfektionieren.“
Europas Gipfel haben sie also erst 2010 oder 2011 im Visier. Doch schon heute sind sie gefragt. Weil die Partie in Bukarest eine dreifache Premiere ist. Auf wen es ankommt:
Das Klinsmann-Debüt: Nach einem Pflichtsieg im DFB-Pokal gegen einen Drittligisten und vier Bundesliga-Spielen (zwei Siege, zwei Remis) steht der 44-Jährige vor seinem ersten Europacup-Spiel als Vereinstrainer. Das Double hatte auch Auslaufmodell Ottmar Hitzfeld gewonnen, eine Titelverteidigung wäre lediglich eine Bestätigung. Am Abschneiden in der Champions League wird Klinsmann gemessen.
Das Debüt von Michael Rensing: Natürlich hat der 24-Jährige schon Europapokal gespielt, auch Champions League. Nun aber steigt der Druck, es ist sein erstes Match nach dem Abschied von Torhüter-Legende Oliver Kahn. „Die Anspannung ist seit Tagen stetig angestiegen“, sagte er, „wir brennen auf die Rückkehr.“ Auf Europas Bühne kämpft er um Anerkennung.
Die Premiere für Luca Toni: Der Mann ist Weltmeister, hat aber noch kein einziges Champions-League-Spiel bestritten. Hoeneß nennt es „Pech“ und „Zufall“. Toni selbst kann es kaum erwarten. „Ich habe mir zu Hause die Erkennungsmelodie angehört.“ Dann kann’s ja losgehen.
Patrick Strasser