Das Abschieds-Sextuple: Die AZ sagt Servus zu sechs Bayern-Größen

Für Hansi Flick, Hermann Gerland, Miroslav Klose, David Alaba, Javi Martínez und Jérôme Boateng heißt es jetzt: "Mia san nimma mia". Die AZ verabschiedet diese Bayern-Akteure ganz persönlich.
von  Matthias Kerber, Patrick Strasser, Maximilian Koch, Julian Buhl, Krischan Kaufmann, Thomas Becker
Zum Abschied gab es Präsente und den Beifall der 250 zugelassenen Zuschauer
Zum Abschied gab es Präsente und den Beifall der 250 zugelassenen Zuschauer © IMAGO / Poolfoto

München - Es hat schon etwas von einem Massen-Exodus, was beim FC Bayern, der sich so gerne den Anstrich der ach so heilen-Bayern-Familien-Welt gibt, vor sich geht.

Für sechs Akteure heißt es jetzt: Mia san nimma mia. Hansi Flick, der den Verein inklusive der Meisterschaft zu sieben Titel geführt hat, beendet seine kurze, aber erfolgreiche Regentschaft, Co-Trainer Hermann Gerland, der mit 25-jähriger Vereinszugehörigkeit fast zum unveräußerlichen Bayern-Inventar gehört hat, tut es ihm gleich - und auch Co-Trainer Miroslav Klose packt die Köfferchen. Jérôme Boateng geht weniger freiwillig, David Alaba macht den Abflug zu Real Madrid, und Javi Martínez weiß bis jetzt nur, dass seine Zukunft nicht bei den Bayern ist - ein Abschieds-Sextuple.

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"Alle haben große Erinnerungen und Emotionen mit dem FC Bayern. Wir alle haben es genossen, für diesen Verein zu arbeiten", sagte Hansi Flick. Die AZ sagt nach dem letzten Spiel gegen Augsburg Servus - ganz persönlich.

Javi Martínez: Javi die Ehre

"Wer Javi Martínez im Team hat, der ist auf dem Platz nie allein", sagte mir einmal Jupp Heynckes. Und der Triple-Triumphator von 2013 war es, der ein Jahr zuvor unbedingt diesen Basken aus Bilbao holen wollte. Die damalige Rekordsumme von 40 Millionen Euro investierte der FC Bayern in einen No-Name-Hünen, der lediglich Experten ein Begriff war. Bingo - Volltreffer. Das ist Martínez, die absolute Kämpfernatur. Abseits des Jobs, des Fußballplatzes ist er am liebsten "einfach Javi" wie er mir erzählte. Der Familienvater (Sohn Luca, Tochter Naia), der zu Hause am liebsten Brettspiele macht. Total geerdet und doch will er auch privat hoch hinaus. "Als Javi brauche ich den Himmel mehr als ein Hotel", sagt er. Es zieht ihn in die Berge, zu seinem Haus in den Pyrenäen auf rund 1.500 Meter Höhe. Für Javi, den bescheiden gebliebenen Jungen aus der kleinen Gemeinde Ayegui, haben die Berge "etwas Spezielles, sie nehmen dich wortlos auf und an". Er macht sie zu seinem Partner. Stundenlang wandert er, am liebsten alleine. Nun verlässt Martínez also den FC Bayern. Berg frei! Servus und Javi die Ehre! - Patrick Strasser

Javi Martinez wird den Bayern-Fans immer in bester Erinnerung bleiben.
Javi Martinez wird den Bayern-Fans immer in bester Erinnerung bleiben. © IMAGO / Poolfoto

Hansi Flick: Der junge Jupp

Gelassenheit und Souveränität sind die ersten Wörter, die mir zu Hansi Flick einfallen. Qualitäten, die zunächst mit dem Menschen Hansi zu tun haben - und weniger mit dem Trainer Flick. Auch wenn dieser Fußball-Lehrer zweifellos zu den besten auf der Welt gehört. Doch für Flick steht die Menschlichkeit im Vordergrund - auch im Umgang mit Spielern. Für einen Trainer wie ihn gehen Stars durchs Feuer, auch Weltmeister und Champions-League-Sieger, die alles gewonnen haben. Nicht nur deshalb hat mich Flick in den vergangenen zwei Jahren sehr an Jupp Heynckes erinnert. Beide sind extrem fleißig, uneitel und nahbar. Sie betrachten uns Reporter nicht als ihre Gegner, sondern streben eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit an. Das war nicht bei jedem Bayern-Trainer so. Auf dem Rückflug vom Trainingslager 2020 in Katar stand er uns auf über 10.000 Metern Höhe zwischen Notausgang und Toilette Rede und Antwort, das störte ihn nicht und nötigte Respekt ab. Ebenso, dass er intern immer für seine Überzeugungen kämpfte, obwohl er sich damit viele Probleme schuf. Hansi ist für mich der junge Jupp. - Maximilian Koch

Hansi Flick und sein Team hinter dem Team
Hansi Flick und sein Team hinter dem Team © Imago/Martin Hangen

David Alaba: Tu felix Alaba

Tu felix Austria - tu felix Alaba (du glückliches Österreich, du glücklicher Alaba). Der 28-Jährige hat dem FC Bayern nicht nur extreme spielerische Klasse geliefert, sondern auch ein Gut, das man zwar nicht quantifizieren kann, das aber extrem qualitätssteigernd ist. Auf dem Platz, aber auch in der Kabine. Die Rede ist natürlich vom Schmäh - und nein, das Wort kommt nicht davon, dass man lukrative Angebote des FC Bayern verschmäht und sich den noch lukrativeren Offerten von Real Madrid hingibt. Der Schmäh, das ist ein österreichisches Kulturgut, das Alaba ins angeblich so piefke-hafte Nachbarland exportiert hat. Unvergessen die Episode, als Alaba - mein Landsmann - mal vom damaligen Bayern-Boss Uli Hoeneß zu einer Aussprache ins Büro beordert wurde. Hoeneß, selber kein Kostverächter und barocken Lebensfreuden zugetan, war zu Ohren gekommen, dass Alaba mit Ribéry die Nacht öfters zum Tage machen und die Gegend um den Gärtnerplatz striezi-haft beglücken würde. Alaba beteuerte mit Kulleraugen-Unschuldsblick: "Des muss a anderer Schwarza gewesn sei." Alaba wird fehlen - sein Schmäh auch. - Matthias Kerber

David Alaba gewann mit den Bayern zehn Mal die Deutsche Meisterschaft
David Alaba gewann mit den Bayern zehn Mal die Deutsche Meisterschaft © IMAGO / Poolfoto

Jérôme Boateng: Stylisches Boa-Autogramm

September 2018. Ein Termin mit Jérôme Boateng, ausnahmsweise mal fern des Fußballs, in einem Parallel-Universum. Wobei: So ganz wenige Ausnahmen waren es gar nicht. Nach dem Geschmack der Bayern-Bosse waren es viel zu viele Termine, die nichts mit seinem Job zu tun hatten. Deswegen muss er nun gehen, an den Leistungen auf dem Platz kann es nicht gelegen haben. Egal. Der Termin also: Wiedereröffnung von "Münchens neuer Prachtmeile" Karstadt Oberpollinger. Da schaut die Prominenz gern auf ein paar Champagner vorbei: Sandy Meyer-Wölden, Victoria Swarovski, Peyman Amin et al. Star-Gäste sind jedoch Jérôme und seine Brillen-Kollektion namens "Defend your style". Ein treffender Name, musste er sein Faible für Mode, Musik und Kumpels wie Jay-Z doch immer verteidigen gegen die Bedenkenträger in der Bayern-Chefetage. Wie sich das für einen VIP seiner Klasse gehört, kommt er zu spät. Schaut man sich halt schon mal seine Brillen, die Boa-Nasenfahrräder, an. Knapp 30 Modelle, mäßig extravagant, dafür jeweils mit Jérôme-Autogramm auf dem linken Glas. Ob man das drauf lässt als Fan? - Thomas Becker

Jerome Boateng hatte bei seiner letzten Auswechslung sichtlich Tränen in den Augen
Jerome Boateng hatte bei seiner letzten Auswechslung sichtlich Tränen in den Augen © IMAGO / Poolfoto

Hermann Gerland: Schlaf für den Tiger

Allmächd, der Tiger geht! Wenn nun die Ära von Hermann Gerland an der Säbener Straße endet, blickt auch rund 150 Kilometer nördlich von München so mancher Fußball-Fan - mich eingeschlossen - wehmütig zurück. Schließlich ist die großartige Karriere des knorrigen Bochumers beim FC Bayern untrennbar mit dem 1. FC Nürnberg verbunden. Ja, wirklich! Der chronisch erfolglose Club raubte dem Tiger nämlich den Schlaf - und war deshalb der Grund dafür, dass der heute 66-Jährige, nachdem er nach eineinhalb Spielzeiten im April 1991 in der Noris entlassen worden war, sein Cheftrainerdasein entnervt aufgab und als Jugendcoach in München anheuerte. Der 35-jährige Gerland erklärte damals in seiner bis heute unnachahmlichen Art: "Als ich in Nürnberg anfing, sah ich aus wie 25. Heute sehe ich aus wie 45 - und fühle mich auch so." Was wäre wohl passiert, wenn der heute erfolgreichste Assistenz-Coach der Vereinsgeschichte, Bayerns Doppel-Triple-Co-Trainer, der Müller-, Schweinsteiger-, Lahm-Entdecker seinerzeit in Nürnberg nur ein wenig besser geschlafen hätte? - Krischan Kaufmann

Mit  Co-Trainer Hermann Gerland verlässt eine Legende den FC Bayern
Mit Co-Trainer Hermann Gerland verlässt eine Legende den FC Bayern © IMAGO / Poolfoto

Klose, der Schnell-Lerner

Als ich Miroslav Klose zum ersten Mal auf dem Betzenberg für Kaiserslautern spielen sah, fragte ich mich wie alle Zuschauer, wo dieser damals 22 Jahre alte Stürmer plötzlich herkam. Er kam von der SG Blaubach-Diedelkopf aus der Bezirksliga und schaffte als Spätzünder aus dem Nichts den Profi-Durchbruch beim FCK. Ein Nachwuchsleistungszentrum hatte er nie besucht. Klose war Autodidakt und lernte unglaublich schnell. Als ich ihn nach seiner Bayern-Zeit (2007-11) 2014 im Maracanã-Stadion in Rio wieder beobachtete, wurde er Weltmeister und mit 16 Treffern WM-Rekordtorschütze. Nachdem er 2018 als U17-Trainer und zuletzt Assistent von Flick zu Bayern zurückkehrte, begegneten wir uns wieder. Seine anfängliche Schüchternheit hatte er im Laufe seiner Weltkarriere längst abgelegt, er trat selbstbewusst und selbstbestimmt auf. Das bekam auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic zu spüren. Klose will seinen Weg gehen und selbst darüber entscheiden. Ob er nun Flick zum DFB folgen oder selbst Chefcoach wird - zuzutrauen ist ihm so einiges. Wie schnell er dazulernt, hat er ja bereits eindrucksvoll bewiesen. - Julian Buhl

Miroslav Klose feierte als Spieler und Trainer große Erfolge mit dem FC Bayern
Miroslav Klose feierte als Spieler und Trainer große Erfolge mit dem FC Bayern © Iamgo/Poolfoto
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