Darf man den besten Pep aller Zeiten gehen lassen?

München - Mit dem Sprichwort "Gut ist nicht gut genug" kann Pep Guardiola aber auch so gar nichts anfangen. In der Welt des Katalanen dürfte es heißen: "Sehr gut ist nicht sehr, sehr gut genug."
Der Bayern-Trainer war nicht zufrieden, nicht zu 100 Prozent. Seine Mannschaft hatte gerade 5:1 gegen Borussia Dortmund, gegen den Tabellenzweiten, den bis dato Wenn-Überhaupt-Verfolger gewonnen. Um es noch einmal so deutlich zu betonen, wie es tatsächlich war: Seine Bayern hatten die zweitbeste Mannschaft des Landes auseinandergenommen, nach 66 Minuten, nach dem fünften Tor, verschonten die Neuers, Müllers, Boatengs und Götzes ihre Nationalelfkollegen Hummels, Gündogan und Reus. Schließlich trifft man sich heute in Frankfurt, um am Donnerstag in Dublin gegen Irland gemeinsam das EM-Ticket für Frankreich 2016 klar zu machen.
Doch zurück zu Pep, dem Perfektionisten. Er bemängelte doch tatsächlich die letzten 20 Minuten seiner Elf, dieses unwürdige 0:0 gegen Dortmund. Für Guardiola war es eine Niederlage. Weil sich die Spieler hatten gehenlassen. "Wir haben es nicht mehr gut gemacht", betonte der Trainer, "jeder hat nur noch für sich gespielt." Er meinte: Das Ergebnis verwaltet, die Dinge laufengelassen. Er sagte: "Wir müssen 90 Minuten spielen, wir haben Fehler gemacht." Passiert ist zwar nichts mehr. Aber sehr gut ist eben nicht sehr, sehr gut genug.
Womöglich war der 44-Jährige froh. Was soll er seinen Spielern sonst noch erklären? Noch beibringen? Schließlich ist er – und nur er – Fußball-Lehrer. Seine hochbegabten Schüler brauchen lediglich motivierende Worte, Denkanstöße, Aha-Erlebnisse im Training wie im Spiel. Und genau die liefert Guardiola, der Hochbegabte unter den Trainern. Es ist das dritte Jahr des Katalanen bei Bayern, sein Deutsch schwankt immer noch zwischen überraschend klaren und verstörend wirren Momenten. Was aber durch die Emotionalität zu erklären ist. Vor Spielen kann er sich viel präziser ausdrücken als danach, noch angefixt durch die Hitze des Gefechts.
Spielt jedoch keine Rolle mehr. Denn seine Profis haben ihn und seine Philosophie längst verstanden. Tatsächlich spielt Bayern nun nach zwei Jahren und drei Monaten der Ära Guardiola den besten Fußball seiner Amtszeit. Sein Ideenreichtum, gepaart mit seinem Erfinder-Gen, sein nie ruhen wollender Geist, diese Rastlosigkeit, das ist die eine Seite des Erfolgs. Die andere ist seine Offenheit für Neues, seine unglaubliche Anpassungsfähigkeit. Power-Fußball über die Flügel wie mit Arjen Robben und Franck Ribéry oder neuerdings mit Douglas Costa, Kingsley Coman oder Mario Götze, dazu lange Bälle wie von Flankengott Jérôme Boateng – alles gerne genommen, wenn es dem Erfolg dient.
Dass Guardiola nur stur seinen Weg geht, ist ein Märchen. Oft genug hat er davon gesprochen, "sich anpassen zu müssen".
Gesagt. Getan. Geschafft. Ob es denn eine Mannschaft in der Liga gäbe, die diese Bayern stoppen könne, wurde Thomas Tuchel gefragt. "Natürlich nicht", meinte der BVB-Trainer. Seine einleuchtende Begründung: "Es ist abseits der Qualität die Atmosphäre, die Bayern München, die Guardiola, geschaffen hat. Die Haltung, die Gier, die Lust, die Bescheidenheit, die Schärfe."
Auf den Punkt gebracht. Aller Ursprung ist der Pep. Was trotz der Seriensiege künftig zu tun sei, wurde er gefragt. "Jedes Training Vollgas geben", sagte er. Guardiolas Credo: "Jeder Tag ist der wichtigste Tag, jedes Spiel das wichtigste Spiel. Wenn ein Spieler nicht gut ist, spielt ein anderer." Und diese Meister-Liaison soll Ende der Saison auseinandergehen? "Was zusammengehört, soll man nicht trennen", sagte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bei "Sky": "Ich habe ihm gesagt, dass ich froh wäre, wenn er bleibt. Es passt zusammen."
Noch 2015 will man verhandeln. Die Bayern sollten sehr, sehr, sehr gut verhandeln.