„Dann sitze ich eben da oben“
Uli Hoeneß über den mitunter gefährlichen Hurrafußball der Bayern – und was sich ändert, wenn er bald nicht mehr Manager ist: (fast) nichts.
AZ: Grüß Gott, Herr Hoeneß. Nach zwei Niederlagen in den ersten drei Rückrundenspielen wundern wir uns schon ein bisschen, dass Sie so unbekümmert wirken.
ULI HOENESS: Tatsächlich habe ich im Moment noch keine Sorgen. Wir spielen ja ordentlich Fußball. Wir schießen nur nicht genug Tore, das ist das einzige Problem. Wir haben acht Heimspiele, sechs Auswärtsspiele – und die ganz schweren Auswärtsspiele, Berlin und Hamburg, liegen hinter uns.
Richtig: als Niederlagen!
Aber es war ja nicht gerade so, dass die uns an die Wand gespielt haben. Ich bewerte Spiele danach, wie ich sie sehe. Als wir in der Hinserie gegen Hannover ohne eine Torchance sang- und klanglos untergegangen sind, als wir gegen Bremen 2:5 verloren haben – da musste man sich Sorgen machen. Aber nicht jetzt. Wir spielen ziemlich offensiv, die Spiele sind alle sehr unterhaltsam.
Aber nicht immer so effektiv wie etwa in Zeiten Ottmar Hitzfelds, in denen der FC Bayern ein Spiel wie in Berlin schätzungsweise mit 1:1 beendet hätte. Hitzfeld brachte Titel. Aber lassen sich Spektakel und Titel vereinbaren?
Bisher haben wir doch weitestgehend bewiesen, dass das möglich ist. Ich bin der Überzeugung, dass man zwischendurch auch mal mit einem Unentschieden zufrieden sein muss. Trotzdem verstehe ich die Mannschaft, wenn sie so spielt wie in Berlin.
Sie meinen: Beim Stand von 1:1 weiter stürmen – zur Not auch ins Verderben? Ins 1:2?
Okay. Aber nach dem 1:1 waren die anderen am Wackeln, da führte jeder unserer Angriffe zu einer Torchance. Dann versuchst du es halt, das ist doch ganz normal.
Ist es auch normal, dass ein leitender Angestellter nach der zweiten Niederlage im dritten Spiel erklärt, die Serie sei „nur unterbrochen“?
Wer hat das gesagt?
So unrecht hat er ja nicht damit. Natürlich kann man sagen, jede Niederlage sind drei Punkte minus. Aber ich differenziere eindeutig, wie Spiele verlaufen. Manches Unentschieden ist eine Katastrophe, manche Niederlage eben nicht. Ich schaue nur, wie wir spielen: Spielen wir Torchancen heraus, haben wir’s im Griff, resultieren Gegentore aus individuellen Fehlern? Danach beurteile ich die Situation. Deshalb bin ich auch so ruhig. Unser Ziel ist ja kein Zwischenresultat nach dem 20. Spieltag, sondern das Ziel liegt in Mitte, Ende Mai.
Haben die Niederlagen in Hamburg und Berlin Sorgen ausgelöst, wenn Sie an die Champions League denken?
Überhaupt nicht! Die Champions League ist ein ganz anderer Wettbewerb. Da gehen die Spieler ganz anders dran. Da ist jedes Spiel ein K.o.-Spiel, darauf haben die Niederlagen in der Bundesliga gar keinen Einfluss. Sie hätten nur Einfluss auf das Selbstvertrauen der Mannschaft, wenn sie desaströs spielen würde. Aber das ist nicht der Fall.
Am Samstag trifft der FC Bayern auf den 1. FC Köln. Stört es Sie, dass Köln den Immer-noch-Bayernprofi Lukas Podolski bereits vermarktet und Geld mit ihm verdient?
Nein. Da sehe ich gar kein Problem. Und habe auch nicht die Sorge, dass er aufs eigene Tor schießt.
Nach Podolski werden auch Sie Abschied nehmen von Ihrem Job beim FC Bayern. Nach 30 Jahren im Amt ein guter Zeitpunkt für Sie, endlich eine Biografie zu veröffentlichen.
Eine Biografie? Von mir? Nein. Never ever!
Wieso nicht?
Wenn ich die Wahrheit über das, was ich alles erlebt habe, schreiben würde, müsste man etwa zehn Bände machen – und ich müsste nach der Veröffentlichung nach Australien auswandern. Da habe ich aber keine Lust dazu.
Es ginge vielleicht ja auch auf diplomatische Weise.
Nee, das macht keinen Spaß. Das bin ich nicht.
Ihr Ziel bis zum Jahresende?
Alle Kraft in die laufende Saison! Und dann versuchen wir, den FC Bayern für die Zukunft fit zu machen, das gilt speziell für mich. Das ist in diesem Jahr eine große Herausforderung.
So ganz ohne Wehmut? Fliegt Sie nicht der Gedanke an: Mensch, heute sitzt du zum letzten Mal auf der Bank im Berliner Olympiastadion...?
Daran denke ich überhaupt keine Sekunde. Denn der einzige Unterschied zwischen der heutigen Situation und der zukünftigen wird der sein, dass ich nicht mehr da unten sitze, sondern dann sitze ich eben da oben. Ansonsten werde ich genauso häufig – zumindest sehr häufig – dabei sein und mir die Spiele anschauen. Außer der Distanz zum Spielfeld wird sich nicht viel ändern.
Wie viele Bewerbungen möglicher Nachfolger für Sie sind schon eingegangen?
So viele auch wieder nicht: Das trauen sich offensichtlich nur wenige zu.
Eines noch: Im Löwen-Umfeld kursieren Gerüchte, Sie hätten Einfluss auf das vorläufige Scheitern des Investor-Deals genommen.
Nein. Warum sollte ich da Einfluss nehmen? Ich habe gehört, dass Leute sagten, ich sei an einem bestimmten Tag an der Grünwalder Straße gewesen. Aber das ist totaler Blödsinn. Ich habe das Gelände von Sechzig in meinem Leben noch nie betreten. Mehr sage ich dazu nicht mehr.
Interview: Michael Schilling