Dahoim isch dahoim
Trainer Jürgen Klinsmann kehrt am Samstag mit dem FC Bayern zurück nach Stuttgart, „wo ich meine emotionalsten Spiele erlebt habe“. Diesmal soll am Ende die Tabellenführung gefeiert werden können.
STUTTGART Das Weihnachtsgeschäft – da ist Hochbetrieb, natürlich. Kokosmakronen, Zimtsterne, Vanillekipferl, die ganze Palette. Schwäbische Spezialitäten wie Bärentatzen sowieso. Zehn bis elf Minuten kommt das Gebäck bei 180° Celsius in den Backofen. „Die Plätzchen sollen schmecken, wie bei Muttern vom Blech - so wollen wir das“, sagt Horst Klinsmann, der Bruder von Jürgen Klinsmann. Er führt die Bäckerei in Stuttgart-Botnang nach dem Tod von Vater Siegfried – zusammen mit Mutter Martha.
Doch für einen Kurzbesuch im Laden in der Eltinger Straße wird es sich nicht ausgehen, wenn Marthas Sohn Jürgen am Samstag mit dem FC Bayern in Stuttgart (15.30 Uhr, liveticker bei abendzeitung.de) beim VfB spielt – und das, obwohl die Enkelkinder Jonathan und Leila nur 100 Meter entfernt in der Auferstehungskirche getauft wurden. Plätzchen? Platz eins will Klinsmann, die Herbstmeisterschaft. Drei Punkte, nicht hunderte Kalorien.
Als Lehrling hat Klinsmann in der elterlichen Bäckerei gearbeitet, nun kommt er als Bayern-Trainer ins Ländle. „Ich bin da groß geworden, meine Familie ist dort“, sagte der 44-Jährige. Wem drücken denn die Angehörigen die Daumen? Klinsmann: „Da sie im Schwabenland groß geworden sind, gehe ich nicht davon aus, dass sie für ein Spiel zu Bayern-Fans werden. Das erwarte ich auch nicht. Sie können mitfiebern, wie sie das möchten.“
Das Engagement beim „Hauptrivalen“ (Klinsmann) haben sie ihrem Jürgen verziehen, der Geographie wegen. „München ist nicht schlecht, weil ich die Enkel da häufiger sehen kann“, sagte Mama Martha, die am Abend vor der Bekanntgabe des Trainer-Coups im Januar von ihrem Sohn informiert worden war. „Er hat mich am Abend vorher ang’rufen.“ Als sich Tags darauf ein Radio-Sender meldete, rief sie „Ach, du Scheiße!“ – die Überraschung war geflunkert. Als sich die Medien in der Bäckerei stauten, meinte sie: „Des isch elles a bissele viel.“
Niemals würde er zum FC Bayern gehen, hatte Klinsmann als Spieler des VfB einmal gesagt. 1995 unterschrieb er. Und sagt im Rückblick: „Damals habe ich mit meinem Vater geredet und musste von diesem Versprechen entbunden werden.“ Nun kommt er erstmals als Vereinstrainer in die Heimat.
Ins ehemalige Neckarstadion, die heutige Mercedes-Benz-Arena. „In diesem Stadion habe ich die emotionalsten Spiele meines Lebens erlebt“, sagte Klinsmann und denkt an den Fallrückzieher, mit dem er im November 1987 die Bayern bezwang, damals das Tor des Jahres: „Das war mein Durchbruch. Danach wurde ich in die Nationalelf berufen. Dazu kommt mein Abschiedsspiel 1999 und das Spiel um Platz drei bei der WM 2006.“ Das 3:1 gegen Portugal war der rauschende Abschied des Turniers – wenige Tage später gab Klinsmann seinen Rückzug als Bundestrainer bekannt.
Das Süd-Derby am Samstag, für die Bayern ein Auswärtsspiel, für Klinsmann ein Heimspiel. Dahoim isch eben dahoim. Und Mitte nächster Woche geht’s in die Wahlhoimat, nach Kalifornien, „dort feiern wir mit der Familie Weihnachten“, sagte Klinsmann, „ich bleibe aber trotz Urlaub mit den Verantwortlichen in ständigem Kontakt.“ Vorher „schaue ich mir am Sonntag Hoffenheim gegen Schalke im TV an“. Vielleicht mit ein paar Plätzchen zum Naschen. Oder Klinsmann-Sekt. Aus der Bäckerei. Den gibt’s dort zu je 6,20 Euro.
Patrick Strasser
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