Dämpfer oder Delle? Der FC Bayern steht vor dem Spiel der Wahrheit

München - Bayerns später Erlöser Joshua Kimmich verharrte, langte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. Alles Kopfsache, so die Botschaft seiner Geste nach dem Rettungsschuss zum Pünktchen. Selbst so ein Hammer wie der des aktuellen Kapitäns in letzter Minute zum 1:1 gegen den 1. FC Köln.
Schlimmeres vermeiden, nicht glänzen wie im Herbst, das ist der traurige Zustand des FC Bayern in diesem Kalenderjahr. Man ist von der Erfolgsspur abgekommen, dabei geschah der Unfall mit der größten Wirkung bereits im Dezember: Die verhängnisvolle Skitour von Manuel Neuer, bei der sich der Torhüter und Kapitän den Unterschenkel brach.
Die Fraktur im Bayern-Spiel hat diverse Gründe, in der Hauptsache psychologische. Kimmich ortete eine "Einstellungssache" als zentralen Makel und erklärte: "Wir müssen gieriger und griffiger auftreten, das hat uns im letzten Jahr ausgezeichnet. Da hatten wir ein ganz anderes Selbstverständnis."
Bayerns nächste Gegner haben einen Lauf
Auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic hat den unerklärlichen Sinnes- und Klimawandel erkannt. Es sei "höchste Zeit, dass wir umschalten und begreifen, dass es jetzt um die Meisterschaft geht". Habe das etwa nicht jeder begriffen? "Ja, das Gefühl habe ich." Das Punkte-Polster des Herbst- bzw. Hinrundenmeisters droht mehr und mehr zu schwinden. Und die Kontrahenten, die nun in der Bundesliga kommen, haben einen Lauf (Eintracht Frankfurt bzw. der VfL Wolfsburg) oder sind für die Bayern traditionell schwer zu bespielen (FSV Mainz, der Gegner im Pokal-Achtelfinale am Dienstag).
Im Herbst rauschte man nur so durch die Wettbewerbe, nun stolpern die Bayern mit zwei 1:1 durch die Liga. Für die eigenen Ansprüche zu wenig. Doch unterm Strich ein Dämpfer zur rechten Zeit vor dem bedeutungsschweren Achtelfinale in der Champions League gegen Paris St. Germain (Hinspiel an der Seine am 14. Februar)? Oder doch schon eine Delle im System, die noch mehr Ungemach hervorrufen könnte? Der Stolperstart 2023 macht den Bossen und dem Coach Sorgen. Denn die Probleme sind hausgemacht.
Kahn: Sommer die "optimale Lösung" als Neuer-Ersatz
Neuers Unfall führte zur kostspieligen Verpflichtung von Yann Sommer und einer Torwartdiskussion, die den Verein noch lange begleiten (und quälen) wird. "Wir sind trotz des schwerwiegenden Ausfalls von Manuel Neuer auf der Torwart-Position sehr gut aufgestellt", sagte Vorstand Oliver Kahn der "Sport Bild" und sieht den Schweizer Neuzugang als "optimale Lösung".
Doch was wird aus dem an AS Monaco ausgeliehenen Alexander Nübel? Aus dem stets loyalen Sven Ulreich? Fragen über Fragen. Und in diesen unruhigen Zeiten macht Serge Gnabry einen Ausflug zur Pariser Fashion Week. Die vielen Nebenkriegsschauplätze verwandelten den FC Bayern wieder zum FC Hollywood. Ein Label, das er schon abgestreift hatte.
Nagelsmann ist erneut als Moderator und Mediator gefragt
Nagelsmanns Arbeit macht das nicht leichter, dabei wollte er sich nach einer ersten Saison voller Debatten und Probleme abseits des Platzes (Corona, Impfdebatte, Jahreshauptversammlung und die Kontroverse um das Katar-Sponsoring) im zweiten Amtsjahr mehr auf sein Kerngebiet, die sportliche Weiterentwicklung der Mannschaft kümmern. Nun ist der 35-Jährige unfreiwillig wieder als Moderator und Mediator gefragt.
"Bei Bayern München ist immer Unruhe, wenn du nicht gewinnst. Natürlich gab es ein paar Themen, aber wir haben das intern angesprochen und ich würde die Dinge nicht zu hoch hängen", sagte Nagelsmann und stellte klar: "Die Dinge außen rum sind mir zu viel Alibi. Wir sind alle Profis und wollen Spiele gewinnen." Am Samstag gegen Frankfurt sollten die Bayern damit anfangen. Ein Neustart - passend zum Rückrundenauftakt.