„Da halt’ ich den Schädel hin“

Bayer Leverkusen war 2000 schon Meister. Na ja – fast! Bis Haching den Bayern zur Hilfe kam. Hier erzählt ein Hauptdarsteller von großem Gefühlskino.
von  Abendzeitung
Unverhofftes Männerglück! Haching packt Leverkusen – und Bayern-Trainer Hitzfeld seinen Kapitän Effenberg (r.) und Verteidiger Babbel. Die Bayern sind doch noch Meister.
Unverhofftes Männerglück! Haching packt Leverkusen – und Bayern-Trainer Hitzfeld seinen Kapitän Effenberg (r.) und Verteidiger Babbel. Die Bayern sind doch noch Meister. © Bongarts/Getty Images

Bayer Leverkusen war 2000 schon Meister. Na ja – fast! Bis Haching den Bayern zur Hilfe kam. Hier erzählt ein Hauptdarsteller von großem Gefühlskino.

AZ: Die Bayern hoffen im Titel-Endspurt mal wieder auf ein Wunder. Sie, Herr Oberleitner, haben für den Klub schon mal eines wahr werden lassen. Im Mai 2000 war das, als der Beinahe-schon-Meister Bayer Leverkusen am letzten Spieltag doch noch in Unterhaching stolperte. Die Bayern durften den Titel feiern – auch weil Sie mit Ihrem Tor den 2:0-Triumph über Leverkusen perfekt gemacht haben. Können Sie uns Ihr Tor nochmal kurz schildern?

MARKUS OBERLEITNER: Klar, kein Problem, das vergesse ich mein ganzes Leben nicht. Alex Strehmel leitet mit einem weiten Ball auf Jochen Seitz einen Konter ein, der flankt fast von der Grundlinie, da halt’ ich meinen Schädel hin, und dann zappelte der Ball im Netz. Das war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, ich werde noch immer darauf angesprochen.

Wissen Sie noch, wie das 1:0 entstanden ist?

(lacht): Logisch, Michael Ballack – mit einem Eigentor. Das sieht man ja heute noch in jedem TV-Rückblick. Den Leverkusenern ist an diesem Tag nix zamganga – und uns alles.

Christoph Daum, der damalige Bayer-Trainer, hatte seine Spieler im Vorfeld über Scherben laufen lassen, um ihre Psyche zu festigen.

Ja. Und hinterher ist er mit seinem Sohn an der Kabinentür gelehnt und hat bitter geweint. Für ihn und seine Spieler ist damals eine Welt zusammengebrochen. Lorenz Köstner, unser Trainer, ist zu ihm hin, hat ihn getröstet. Die waren sich so sicher, dass sie uns, das kleine Dorf, mal so wegräumen.

Haching war plötzlich ein Meistermacher. Und populär.

Ja, das kann man schon so sagen. Für uns war das ja auch das Spiel des Jahres, ganz Deutschland hat auf uns geschaut. Da sind die Beine fast allein gelaufen. Irgendwie war das das achte Weltwunder.

Das vielleicht nicht ganz. Aber es gilt als veritables und unvergessenes Fußballwunder. Am Samstag soll wieder eines her: Bayern gewinnt gegen Stuttgart, Wolfsburg unterliegt Bremen – und fertig ist das nächste Wunder. Oder?

Der Titelkampf wurde in den letzten Jahren immer furioser. Natürlich hätten es die Wolfsburger verdient, zum ersten Mal in ihrer Geschichte Meister zu werden. Aber die Bayern sind erprobt, was solche Nervenspiele angeht. Die können mit solchen Situationen besser umgehen. Ich glaube, dass am Ende wieder der unerwartete Fall eintritt und die Bayern die Schale hochheben. Die Bayern sind psychologisch im Vorteil.

Haben die sich eigentlich damals bei Ihnen bedankt?

Nein, nie. Wir haben nur am gleichen Tag mit den Bayern-Profis zusammengefeiert in der alten Gärtnerei in Taufkirchen. Mehr war da nicht, es gab hinterher weder einen Bier-Tanker noch einen LKW voller Weißwürste.

Haching hat es im Jahr darauf schwer getroffen.

Ja, wir sind abgestiegen, die Bundesliga hat uns nach dem Wunder von Haching ernst genommen.

Heute kickt der Klub nur noch in der Dritten Liga.

Ja, sie werden auch heuer nicht aufsteigen. Diese Chance ist vorbei.

In diesem Jahr jährt sich zum zehnten Mal der Hachinger Bundesliga-Aufstieg.

Eine Feier ist aber offenbar nicht geplant. Schade. Genauso finde ich es enttäuschend, dass es der Verein nicht geschafft hat, eine Traditionsmannschaft ins Leben zu rufen. Irgendwie ist in den letzten Jahren der Kontakt zu diesem Verein abgerissen.

Interview: Oliver Griss

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