CL-Halbfinale: Die Spanierdämmerung
Madrid – Natürlich saß Uli Hoeneß am Tisch der Granden beim Mitternachtsbankett neben Pep Guardiola, der inmitten all der Spieler, Betreuer, Sponsoren und Vip-Gäste im Mannschaftshotel „Eurostars Madrid Tower“ völlig in sich versunken wirkte. Womöglich spielte der 45-Jährige alle 2500 taktischen Optionen für das Rückspiel am Dienstag im Geiste durch.
Mittendrin wurde er von Hoeneß aus seinen Denkspielen gerissen, der Ex-Präsident und der Coach tauschten sich intensiv aus. Während seiner Rede rief Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge ins Mikrofon: „Ich möchte nach Mailand.“
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Damit die Hauptstadt der Lombardei das große Finale der Guardiola-Regentschaft markiert – und nicht Berlin eine Woche zuvor mit dem Pokalfinale gegen Borussia Dortmund. An einem der beiden Orte dürfte also nicht nur die Ära des Pep Guardiola enden, sondern womöglich auch die seiner Gefolgschaft, der Spanier im Kader. Auch wenn alle vier Profis Verträge über das Saisonende hinaus haben, könnte Bayerns künftiger Coach Carlo Ancelotti andere Schwerpunkte setzen.
Das 0:1 bei Atlético Madrid wirft einige Fragen auf – nicht nur wegen der Nicht-Berücksichtigung von „Mr. FC Bayern“, Thomas Müller. Im Fokus sind auch die Spanier Javi Martínez, Xabi Alonso, Thiago und Juan Bernat.
Hatte Guardiola seine Armada auf den Platz geschickt, weil das Quartett die Gegebenheiten des Stadions „Vicente Calderón“ kannte, den ach so stumpfen Platz, auf dem die Bälle so langsam wurden? Hatte Guardiola sie gewählt, weil sie die für die Gegner eklige Spielweise der Rojiblancos schon mal spüren durften? Die Idee verpuffte. Bernat und Thiago waren die schwächsten Bayern, vor dem 0:1 ließen sie sich wie Alonso von Atléticos Saúl austanzen.
Wie ist die Perspektive des Quartetts?
Xabi Alonso (34/Vertrag bis 2017): Der Aufräumdienst vor der Abwehr wurde vom taktisch cleveren Spiel Atléticos anfangs trotz all seiner Erfahrung ebenfalls überrumpelt. Bei Real Madrid konnte Ancelotti gut mit Alonso, doch in den letzten Wochen und Monaten hat Arturo Vidal gezeigt, wie wichtig er für das Bayern-Spiel ist. Dem klassischen Sechser Alonso dürfte ein Jahr als Ergänzungsspieler bevorstehen.
Juan Bernat (23/Vertrag bis 2019): Der Linksverteidiger ließ in Madrid zu viel über seine Seite zu und war in der Offensive zu zaghaft, spielte ängstliche Pässe. Natürlich ist er noch jung, doch David Alaba wohl die erste Wahl auf der linken Abwehrseite, wenn Ancelotti zwei gesunde Innenverteidiger zur Verfügung stehen. Bernat könnte ein solider Back-up sein.
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Thiago (25/Vertrag bis 2019): Der Liebling von Pep spielt seine schwächste Saison, seit er 2013 auf dringenden Wunsch Guardiolas („Thiago oder nix!“) aus Barcelona abgeworben wurde. An guten Tagen ist Thiago brillant, spielt hinreißende Pässe, hat unglaubliche Ideen. Die Kehrseite des Künstlers: An schlechten Tagen geht er unter, lässt sich hängen. Laut „Kicker“ könnte Thiago Guardiola zu Manchester City folgen.
Javi Martínez (27/Vertrag bis 2021): Den Basken, 2012 aus Bilbao für 40 Millionen Euro Ablöse verpflichtet, hat man mit einem neuen Vertrag ausgestattet. Doch welche ist seine Top-Position? Innenverteidiger, wie ihn Guardiola sieht – oder doch als Sechser vor der Abwehr wie im Triple-Jahr 2013 unter Jupp Heynckes? Da Bayern für die kommende Saison Mats Hummels von Borussia Dortmund verpflichtet und Jérôme Boateng dann wieder fit ist, dürfte Martínez ins Mittelfeld rücken – oder auf die Bank.