Chaos, Toni, Abstiegsangst: Neue AZ-Serie zu den krassen Zweier-Jahren

München - Die Schale ist längst zurück an ihrem angestammten Ort in München, die Meisterschaft Nummer zehn in Serie längst im Sack.
Thomas Müller, Manuel Neuer & Co. gehen in die Geschichte der Bundesliga ein. Im Zuge dieser bisher nie dagewesenen nationalen Dominanz sollte man sich an der Säbener Straße auch an andere Zeiten erinnern: an die wohl schlechteste, schlimmste, chaotischste Saison der Historie des FC Bayern, die Spielzeit 1991/92.
FC Bayern vor 30 Jahren: Abstiegsangst
Vor genau 30 Jahren entkamen die Münchner gerade noch so dem Abstieg - ja, richtig gelesen. Nach 38 Spieltagen trudelte man auf Platz zehn ein, nur fünf Punkte (in der wegen der Wiedervereinigung mit 20 Klubs gespielten Saison galt noch die Zwei-Punkte-Regel) vor dem Tabellen-17. Ganz zu schweigen von den Blamagen in den Pokal-Wettbewerben. Im DFB-Pokal unterlag man in Runde zwei zu Hause (vor 9000 Zuschauern!) mit 2:4 nach Verlängerung gegen Zweitligist FC 08 Homburg, im Uefa-Cup scheiterte man an B1903 Kopenhagen (2:6/1:0).
Wie konnte es zu solch einem einmaligen Absturz später kommen?
Trainer Jupp Heynckes, der als zweimaliger Meister in seine fünfte Saison in München geht, muss im Sommer 1991 verkraften, dass sein defensives Gerüst wegbricht. Leitwolf und Libero Klaus Augenthaler, der langjährige Kapitän, beendete seine Karriere, die Abwehrspieler Jürgen Kohler und Stefan Reuter wechseln zu Juventus Turin. Um den Verlust auszugleichen, langen die Bayern auf dem Transfermarkt mächtig zu, investieren knapp 15 Millionen Mark - Rekord. Es kommen Stürmer Bruno Labbadia von Meister Kaiserslautern, Oliver Kreuzer und Thomas Berthold für die Abwehr sowie die ersten Brasilianer der Klubgeschichte: Verteidiger Bernardo, ein totaler Flop, und Stürmer Mazinho, Kategorie: na ja, geht so.

Schon das erste Heimspiel geht verloren
Nach dem peinlichen 1:2 gegen Hansa Rostock, den letzten Meister der DDR-Oberliga, sind erstmals "Heynckes raus!"-Rufe im Olympiastadion zu vernehmen.
Das Team hat keine Struktur, keine Hierarchie, dazu kommt Pech. Neben Stürmer Brian Laudrup (Kreuzbandriss) verletzt sich auch die Nummer eins im Tor, Raimond Aumann. Gerald Hillringhaus, die Nummer drei, muss es richten, da auch Aumann-Vertreter Sven Scheuer verletzt ist. Ein Desaster. Hillringhaus, zuvor nahezu ohne Profi-Erfahrung, ist überfordert. Die Bayern-Bosse auch.
Tiefpunkt: 1:4 gegen die Kickers
Aumann selbst ruft bei Ex-Nationaltorhüter Toni Schumacher an, der kurz zuvor seine Karriere bei Fenerbahce beendet hat. Der 37-Jährige überlegt aber nicht lange und macht sich auf nach München.
Von der Bank aus beobachtet Schumacher am 5. Oktober den Tiefpunkt - oder besser: einen der Tiefpunkte - der Saison: das 1:4 gegen Aufsteiger Stuttgarter Kickers, Bayern ist Zwölfter. Abstiegsangst macht sich breit. Und Panik bei Manager Uli Hoeneß. Er entlässt seinen Freund Heynckes. "Die größte Fehlentscheidung meiner Laufbahn", so Hoeneß später. Kurzschlussreaktion Nummer zwei: Mit dem Dänen Sören Lerby, erst 33 und ohne Trainererfahrung sowie Trainerlizenz, wird überraschend Heynckes' Nachfolger. Stallgeruch hat der ehemalige Mittelfeldspieler, aber keinen Plan.

Nicht mal Hermann Gerland, als Assistent hochgezogen aus dem Nachwuchs, kann korrigieren. Die Bayern taumeln von einer Pleite zur nächsten Enttäuschung, Hoeneß verpasst den Spielern ein Ausgehverbot ab 23 Uhr, setzt Privatdetektive auf sie an. Schumacher, mittlerweile im Tor, versucht zu retten, was zu retten ist.
7. März '92: Lerby wird entlassen
Am 7. März 1992 wird der viel zu weiche Lerby nach dem 0:4 beim 1. FC Kaiserslautern entlassen. "Eigentlich hatte ich einen herrlichen Job, ohne jegliche nervliche Belastung", erzählte Nachfolger Erich Ribbeck im Magazin "51". Für Opel, Bayerns Hauptsponsor, betreute er im Olympiastadion die VIPs. Ribbeck schafft den Klassenerhalt und ist sich heute sicher: "Dem FC Bayern würde so eine Saison wie 1991/92 nicht mehr passieren."
Das einzig Positive der Chaos-Spielzeit: Präsident Fritz Scherer konnte die Ex-Spieler Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge überzeugen, ab Oktober 1991 als Vize-Präsidenten einzusteigen.
Ein doppelter Glücksgriff.
In der nächsten Folge lesen Sie: das Finale dahoam 2012