Cartoonist Uli Stein: Dieser Neid auf Bayern - das ist typisch deutsch

Cartoonist Uli Stein ist seit seiner Jugend Anhänger von Hannover 96, war aber schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Stadion.
München - Cartoonist und Hannover-Fan Uli Stein verrät in der AZ, weshalb er schon seit den Siebzigern nicht mehr ins Stadion geht, was bei 96 schief läuft und warum er seine Heimatstadt nicht besonders schätzt.
AZ: Herr Stein, wie oft werden Sie eigentlich noch mit dem früheren Torwart gleichen Namens verwechselt?
ULI STEIN: Inzwischen selten. Früher war das tatsächlich öfters der Fall, gerade zu seiner aktiven Zeit. Ich habe Uli Stein übrigens einmal getroffen, bei einer Buchmesse war das. Wir haben sogar gegeneinander Tipp-Kick gespielt, er hat dabei gewonnen, was ihm aber auch zusteht.
Uli Stein: "Früher wurde ich häufig mit dem Torhüter verwechselt"
Sie sind seit Ihrer Jugend großer Anhänger von Hannover 96, gab es ein Schlüsselerlebnis, das Ihre Fan-Leidenschaft entfachte?
Sicher der Aufstieg 1964. Bei der Gründung der Bundesliga hatte man uns ja übergangen, stattdessen nahm man Eintracht Braunschweig auf. Vielleicht rührt daher auch die alte Animosität. Damals bin ich mit Freunden oft ins Stadion, unsere Helden waren Walter Rodekamp, ein bulliger Mittelstürmer, und Fred Heiser. Da gab es den schönen Schlachtruf: „Wir brauchen keinen König, wir brauchen keinen Kaiser. Wir haben einen Rodekamp und haben einen Heiser.“ Haben wir immer gesungen. War eine schöne Zeit. Alles sehr friedlich, entspannt und unaufgeregt, anders als heute. Aber damals waren ja auch die Eierpreise noch anders.
Jetzt gehen Sie nicht mehr ins Stadion?
Nein, schon seit den Siebzigern nicht mehr. Zu viele Leute. Ich habe mich zurückgezogen. Eine Ansammlung von fünf Menschen ist in Ordnung, alles, was darüber hinausgeht, meide ich. Ich schaue mir 96 immer im Fernsehen an. Ich habe daheim einen tischtennisplattengroßen Bildschirm, da sehe ich dann das Elend. Es ist wirklich desaströs zurzeit. Mal schauen, wie hoch am Samstag in München die Demütigung ausfällt.
Uli Stein: "Ich gehe seit den 70ern nicht mehr ins Stadion"
Was lief denn in dieser Saison so schief?
Abgesehen von den internen Streitereien zwischen den Fans und Martin Kind: Der ganze Personaleinkauf war eine Katastrophe, nur Dullis hat er eingekauft, der Horst Heldt. Die Mannschaft, die Thomas Doll vorgefunden hat, ist definitiv nicht bundesligatauglich. Man muss jetzt in der Zweiten Liga einen kompletten Neuanfang machen. Zwei, drei Spieler behalten, den Rest kannst du in die Wüste schicken. Für das Spiel in München brauchen wir uns jedenfalls gar nichts ausrechnen.
Möglicherweise wird ja ausgerechnet am Samstag der Abstieg auch rechnerisch besiegelt.
Der steht doch eh schon fest. Dann spielen wir nächstes Jahr eben wieder gegen den HSV, ist doch auch schön. Außerdem helfen wir am Samstag den Bayern wenigstens auf dem Weg zur Meisterschaft. Ich habe großen Respekt vor den Bayern und kann die dauernden Anfeindungen gegen sie nicht nachvollziehen. Die haben sich in den letzten Jahrzehnten jeden Pfennig hart erarbeitet und sich den Erfolg auch verdient. Dieser Neid darauf, das ist so typisch deutsch. Anstatt sich zu Freude, wenigstens einen Verein zu haben, mit dem man international auch angeben kann.

Sie sind ja nicht nur Zeichner, sondern auch Fotograf, veröffentlichten einmal einen Kalender mit Fotos von Fußballschuhen. Wie kam das?
Das war ein Benefizprojekt zusammen mit Pfarrer Heinrich Plochg, einem Fußballverrückten, der viele Schuhe von Ex-Profis gesammelt hat. So entstand die Idee, einen Kalender daraus zu machen, der Erlös ging an schwer herzkranke Kinder. War eine schöne Aktion.
Uli Stein: "Fernsehauftritte lehne ich komplett ab"
Pfarrer Plochg hielt auch vor bald zehn Jahren die bewegende Trauerrede auf Robert Enke.
Das hat auch mich sehr berührt. Ich kannte Robert Enke nicht persönlich, empfand ihn aber immer als außergewöhnlichen Menschen. Das zeigte einfach wieder einmal, dass man nicht in Menschen reinsehen kann und nicht weiß, wie es innendrin aussieht.
Als Fußballprofi und Nationalspieler konnte Enke der permanenten Beobachtung durch die Öffentlichkeit nicht entkommen, Sie hingegen haben sich ganz bewusst zurückgezogen. Man kennt Ihre Cartoons, aber Sie selbst hört und sieht man selten. Warum diese Scheu?
Weil ich mich so weit wie möglich raushalten möchte. Sie sind jetzt einer der ganz wenigen, mit denen ich pressemäßig rede. Fernsehauftritte lehne ich komplett ab, auch wenn ich jetzt wohl mal ran muss, ich habe eine Stiftung für Tiere in Not gegründet, da mache ich mal eine Ausnahme, damit das Aufmerksamkeit bekommt. Ansonsten bin ich froh, wenn ich meine Ruhe habe. Das muss doch scheußlich sein, wenn man als Promi überall erkannt wird.
Sie leben in der niedersächsischen Provinz in Wedemark, nördlich von Hannover. Hat es Sie nie gereizt, in eine große Stadt zu ziehen?
Ich hasse Großstädte. So dreimal im Jahr muss ich notgedrungen nach Hannover. Und jedes Mal, wenn ich heimfahre, mache ich drei Kreuzzeichen und danke dem lieben Gott, dass ich da nicht wohnen muss.
Uli Stein: "Hannover ist schöner als Wolfsburg oder Braunschweig"
Na gut, aber wer will das schon in Hannover? Harald Schmidt sagte einmal, Hannover sei nicht der Arsch der Welt, aber man sehe ihn von dort ganz gut.
Da tut man Hannover aber auch wieder unrecht. Hannover ist eine recht grüne Stadt, es hat auch einen sehr großen Stadtwald.
Ist nicht wahr. Wie beeindruckend.
Für eine Stadt ist Hannover jedenfalls sehr vertretbar. Und auf jeden Fall ist Hannover schöner als Wolfsburg oder Braunschweig.
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