Carlo Ancelottis Mission 2017

München - Die Feiertage verbrachte Carlo Ancelotti im fernen Kanada. Weihnachten mit seiner Frau Mariann und deren spanischen Eltern, ganz gemütlich in Vancouver, wo der Bayern-Trainer schon während seines Sabbaticals gelebt hatte. Ein bisschen ausspannen, die Natur genießen, Tortellini kochen – und nebenbei einen Plan entwerfen. Carlos Masterplan für den zweiten Teil dieser Saison. Der den Bayern im besten Fall drei Titel bringen soll.
Schon am dritten Tag des neuen Jahres geht Ancelotti dieses Ziel an. Mit dem Trainingslager in Katar (3. bis 11. Januar) beginnt wieder der Arbeitsalltag der Bayern, der idealerweise exakt fünf Monate später im walisischen Cardiff glorreich enden soll. Im Millennium Stadium findet am 3. Juni 2017 das Finale der Champions League statt. Und Ancelotti ist der Königsklassen-Spezialist unter den aktiven Trainern im europäischen Vereinsfußball.
Sportlich "im Soll"
Der 57-Jährige sieht sich nach dem ersten Halbjahr sportlich „im Soll“. Alle Titelchancen sind intakt. Die Bayern führen die Bundesliga zum Jahreswechsel an, im DFB-Pokal und in der Champions League stehen sie im Achtelfinale. „Wir können uns noch verbessern – und wir werden uns verbessern“, sagte Ancelotti bei seinem Halbjahresresümee.
Die starke Schlussvorstellung gegen RB Leipzig hat viele im Verein beruhigt. Das 3:0 gegen den furiosen Aufsteiger offenbarte, dass im Münchner Starensemble auch nach vier Meistertiteln am Stück Antrieb und Willensstärke stimmen, wenn es in besonders wichtige Spiele geht. Der Abend ließ zugleich erahnen, dass der Ancelotti-Stil auch in München seine Kraft entfalten könnte. Taktik und Aufstellung gingen optimal auf. Derartige Siege erhöhen das Vertrauen in einen Chef.
Ancelotti ist als Gegenentwurf seines Vorgängers Pep Guardiola angetreten. Er führt die Mannschaft anders, er coacht sie anders. Er ist kein Kontrollfreak, er akzeptiert Schwächephasen. Das Spielsystem ist für ihn kein Heiligtum. So wechselte er kurzerhand vom 4-3-3 zum 4-2-3-1, in dem sich die Mannschaft wohler fühlt. Für Ancelotti ist das Zwischenmenschliche und ein gutes Verhältnis zu den Spielern wichtig.
Hauptaugenmerk auf der Champions League
Ancelotti verfolgt eine klare Strategie. Er will sein Team in der entscheidenden Saisonphase im Frühjahr körperlich und mental frisch zur Verfügung zu haben. Darauf richtet er sein Handeln aus. Er hat in der ersten Saisonhälfte sehr viel rotiert. Als die Bayern eine ihrer zwei kürzeren Schwächephasen durchliefen, erinnerte Ancelotti an seine Erfahrungen bei Real Madrid. Im Herbst 2014 habe er mit den Königlichen mal 22 Spiele am Stück gewonnen – „aber am Ende der Saison keinen Titel“. Als Konsequenz verlor er seinen Job.
Ancelotti will natürlich die Bundesliga gewinnen, aber seine Passion gilt der Champions League. Er weiß ja auch, dass Guardiola in München zwar in jedem Jahr mit dem FC Bayern Meister geworden ist, aber eben auch dreimal im Halbfinale der Champions League scheiterte; übrigens 2014 im direkten Duell mit ihm als damaligem Coach von Real Madrid.
Bilder: Dauerbrenner und Teilzeitjobber beim FC Bayern
Karl-Heinz Rummenigge hob auf der Jahreshauptversammlung die besonderen Referenzen von Ancelotti hervor. „Carlo ist der einzige aktuelle Trainer, der die Champions League dreimal gewonnen hat“, schwärmte der Bayern-Chef. Rummenigge mochte daraus zwar keine Titelerwartung ableiten. Aber die Sehnsucht nach einem weiteren Triumph in Europa ist im Verein zu spüren.
Die anstehenden K.o.-Runden – beginnend Mitte Februar gegen den FC Arsenal – werden das Urteil über Ancelottis Wirken beim FC Bayern prägen. „Wir haben einen Spezialisten auf der Bank sitzen, der für diese Fälle bestens geeignet ist“, sagte Rummenigge optimistisch.