Can: "Hier haben alle so ein Kreuz wie ich"
Emre Can ist eine der Nachwuchs-Hoffnungen des FC Bayern. Hier verrät er, welchen Tipp ihm Mario Gomez in der Kabine gibt, seit wann er eine eigene Wohnung hat – und wie er privat tickt.
AZ: Herr Can, mit Pep Guardiola kommt im Sommer ein Trainer, der bei Barcelona extrem auf Jugendspieler gebaut hat. Die Chance für Sie?
Klar ist das nochmal ein Extra-Ansporn, jetzt den nächsten Schritt zu machen und auf Einsatzminuten zu kommen.
Ist Guardiola Kabinenthema?
Überhaupt nicht. Ich hätte auch nichts dagegen gehabt, dass Jupp Heynckes bleibt.
Jupp Heynckes geht. Wie wirkt er auf Sie?
Ich komme aus der Jugend – da ist es normal, dass Herr Heynckes öfter mal etwas sagt. Lieber er spricht viel mit mir, als wenn er nichts sagt.
Was sagt er?
"Junge, Du musst dein Passspiel verbessern! Du musst mit Hermann Gerland nach dem Training noch an die Ballwand gehen!" Er nimmt mich sehr oft zur Seite.
Es hat überrascht, dass Sie in der Winterpause trotz öffentlich bekundeten Interesses nicht zu Bayer Leverkusen gewechselt sind.
Jupp Heynckes sagte mir: Wenn du weiter machst, bekommst du deine Chance! Deswegen wollte ich unbedingt hier bleiben. Ich fühle mich körperlich gut, jetzt folgt hoffentlich der nächste Schritt. Ich kann immer mal in den Kader reinrutschen, wenn sich jemand verletzt.
Hat Sie ein Jahr Leihspieler bei Leverkusen nicht gereizt?
Klar wäre das reizvoll gewesen. Aber nach dem Gespräch mit dem Trainer habe ich mich dazu entschlossen, hier zu bleiben.
Heynckes meinte, Sie hätten auch in der Innenverteidigung Chancen.
Ich würde überall spielen – Hauptsache ich spiele! Ich fühle mich im defensiven Mittelfeld zwar wohler, kann aber auch Innenverteidiger oder links hinten spielen.
Wie verhält man sich am besten als junger Spieler zwischen Stars?
Man darf sich als junger Spieler nicht alles gefallen lassen, sollte auf der anderen Seite aber nicht zu frech sein. Wenn ich Spielpraxis brauchen sollte, werde ich aber auch mal in der Zweiten spielen.
Dort hört Mehmet Scholl nach der Saison auf.
Schade - ich verstehe mich sehr gut mit ihm, er gibt mir eine Führungsrolle in seinem Team. Das macht Spaß! Er ist sehr locker als Coach, lässt einem viel Freiraum.
Wer sind Ihre Bezugspunkte?
David Alaba, Xherdan Shaqiri – die Jungen. Ich komme aber auch gut mit Franck Ribéry zurecht. Man spürt, dass er uns jungen Spielern helfen will. Er redet viel mit uns, sagt uns, was wir besser machen können. Dafür gibt’s in der Kabine dann aber manchmal auch einen nassen Socken ab. (lacht)
Die Sockenschlacht ist die Kissenschlacht der Bayern-Profis. Das passiert öfter, oder?
Ja. Sehr oft. (lacht)
Haben Sie schon einen festen Platz in der Kabine? Thomas Müller sagte, er musste sich im ersten Jahr immer unter der Wäscheleine umziehen.
Ich habe seit fast einem Jahr meinen festen Platz, sitze neben Mario Gomez. Das ist ne ganz coole Ecke. Er hilft mir auch, sagt auch mal: "Hau’ mal einen um im Training, wenn's sein muss."
Ist aus Ihnen im letzten Jahr ein Mann geworden?
Ich glaube schon. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich an das sehr körperbetonte Spiel im Erwachsenen-Bereich gewöhnt habe. Hier haben alle so ein Kreuz wie ich! (lacht) Außerdem läuft das Spiel sehr viel schneller. Bei Bayern sowieso.
Dass Sie als 16-Jähriger schon überdurchschnittlich groß waren und jetzt mit 1,84 m Gardemaß haben – liegt das in der Familie?
Überhaupt nicht! Mein Papa ist 1,69 Meter, meine Mama vielleicht 1,50 Meter, meine Schwester 1,60 Meter – ich bin der Größte! Ich bin oft gefragt worden: Was haben die bei Bayern aus Dir gemacht? Keine Ahnung, woher das kommt.
Wie wichtig ist Ihnen, der schon mit 15 ins Bayern-Jugendhaus zog, Ihre Familie?
Mittlerweile wohne ich ja alleine, ich bin letzten Sommer aus dem Jugendhaus ausgezogen. Meine Familie ist mir trotzdem sehr wichtig; wenn ich mal zwei Tage frei habe, fahre ich oft nach Frankfurt.
Wie war's drei Jahre im Jugendhaus?
Eine super Erfahrung! Ich bin selbstständiger geworden und habe gelernt, was Disziplin heißt. 8 Uhr Frühstück, 22 Uhr Bettruhe - die festen Zeiten helfen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.
Was ist besser: Jugendhaus oder eigene Wohnung?
Die eigene Wohnung! Dadurch wird man nochmal erwachsener. Man muss einkaufen gehen, kochen…
…putzen…
Das auch. (lacht) Aber Gott sei Dank kommt meine Mama alle zwei Wochen und hilft.