Butts Geschenke: Vier Buden, Blut und eine Blamage

BARCELONA - Michael Rensing draußen, Jörg Butt drin: Der brave Reservist wird überraschend ins Bayern-Tor beordert – und leidet beim Debakel in Barcelona ganz fürchterlich.
Angenehmer geht's nicht mehr - könnte man meinen. Ein Sitzplatz, auch noch überdacht. Aber es war der bitterste aller 96000 Plätze im Stadion - derjenige von Michael Rensing, bis Dienstagabend Stammtorhüter des FC Bayern, auf der Gästebank.
Schlimmer geht's nicht: Regen, kalter Wind, ein nasser, glitschiger, unberechenbarer Ball. Torhüter hassen das. Jörg Butt (34), bis Dienstagabend Rensings Stellvertreter, wird es zunächst geliebt haben. Nicht weil er das nach Barcelona verlegte Hamburger Schmuddelwetter aus seiner HSV-Zeit kennt, nein. Er war einfach nur glücklich drin zu sein. Drin im Bayern-Tor. In diesem Stadion. Im Camp Nou. In diesem Spiel, im Champions-League-Viertelfinale.
Doch bis zum ersten Gegentor von Messi, der locker einschob, vergingen nur neun Minuten. Drei Minuten später tunnelte Eto'o den Bayern-Keeper ihn. Schluss mit Genuss. Ein ganz bitterer Abend. Eine schmerzhafte Angelegenheit wurde es, im wahrsten Sinne des Wortes: Die 22. Minute: Nach einem Torschuss – der ging tatsächlich, welch Wunder, mal neben das Tor – rutschte Henry mit den Stollen in Butts Gesicht, traf ihn an der Wange. Ein Cut an der Augenbraue, Butt wurde minutenlang auf dem Platz behandelt und getackert, er musste das blutdurchtränkte Trikot wechseln. Da hatten selbst die Barca-Fans Mitleid und applaudierten der traurigen Gestalt mit der Nummer 22, der fortan aussah als sei er einem der Klitschko-Brüder begegnet. Vermöbelt. In der 38. Minute bekam er von Messi wieder einen eingeschenkt - 0:3.
Spätestens da wurde aus dem Geschenk eine Strafe: am Ende vier Buden, Blut und eine Blamage. Das Geschenk, das die Sensation des Tages war: Klinsmann hatte entschieden: Rensing, der im Sommer Oliver Kahn beerbt hatte, musste raus. Auf die Bank. Eine Strafversetzung - nachdem Rensing alle 26 Bundesligaspiele, alle vier Pokalpartien und sieben der acht Champions-League-Spiele gemacht hatte. Nur beim 7:1 im Achtelfinal-Rückspiel gegen Lissabon hatte Butt, der brave Stellvertreter, rangedurft. Ein Dankeschön im Kirmeskick nach dem 5:0 im Hinspiel.
Dass Butt keine Spielpraxis hat? Nur vier Einsätze in der Drittliga-Elf für FC Bayern II vor ein paar Hundert Zuschauern? Klinsmann war's egal. „Jörg spielt dieses Spiel aufgrund seiner Routine“, erklärte der Coach vor Anpfiff, „es ist jetzt einfach der Moment da, wo die Abwehr mehr Gelassenheit braucht. Jörg hat diesen Schuss mehr Ruhe und Ausstrahlung - und das ist vor 96000 Zuschauern gefragt.“
Die half aber auch nichts. Dass Butt 2002 mit Leverkusen sogar im Finale gegen Real Madrid (1:2) stand? Messi und Co. war's egal. Präsident Franz Beckenbauer bezeichnete es als „Risiko von Jürgen Klinsmann in einem so wichtigen Spiel einen Mann ins Tor zu stellen, der keine Spielpraxis hat". Das Ergebnis: 0:4 zur Halbzeit, Henry.
Es war ein Debakel, die Bayern wurden lächerlich gemacht. Und Butt - die Formulierung muss gestattet sein - war die ärmste Sau. In der 59. Minute ein Aufschrei: Butt lenkte einen Ball an die Latte.
Den Bayern wird eins klar geworden sein an diesem Abend Sie brauchen für die neue Saison einen neuen Torwart. René Adler von Leverkusen oder Robert Enke (Hannover). Viel Erfolg bei den Verhandlungen!
Patrick Strasser