„Butt – einer wie Zoff“

Ex-Nationaltorhüter Toni Schumacher über den Torhüterkampf in der Nationalmannschaft:Er hat Sympathien für seinen Ziehsohn Tim Wiese, glaubt aber an Manuel Neuer als Nummer 1.
AZ: Herr Schumacher, Sie sind befangen, geben Sie es zu. Was die Diskussion um die neue Nummer eins nach der Verletzung von René Adler angeht, können Sie doch gar nicht neutral sein, oder?
TONI SCHUMACHER: Weil ich den Tim damals bei Fortuna Köln entdeckt habe?
Genau. Vor elf Jahren waren Sie Trainer des Regionalligisten und holten Wiese von den Amateuren zu den Profis.
Richtig. Von der Asche, wo die damals trainiert haben, auf den Rasen. Man konnte schon damals sein großes Potenzial sehen.
Wiese wechselte zu Kaiserslautern. Dort trainierte ihn Gerry Ehrmann, einst sieben Jahre beim 1. FC Köln die Nummer 2 hinter Ihnen. Alles eine Schule. Viele sagen, Wiese könnte Ihr Sohn sein.
Klar hat er was von mir. Er ist eher extrovertiert, sagt seine Meinung gerade heraus. Er ist genauso kompromisslos; er lässt sich die Kugel lieber an den Kopf schießen, als ein Tor zu kassieren. Er ist ein sehr guter Torwart mit einer guten Einstellung. Ich mag den. Trotzdem ist Neuer für mich die Nummer eins.
Wie bitte?
Ich denke, Manuel hat die Nase vorn. Gegen Malta war er ordentlich.
Neuer fehlt Erfahrung, er hat nun erst drei Länderspiele.
Na, und? Ich bin doch das beste Gegenbeispiel. 1980 bin ich in Italien Europameister geworden, vorher hatte ich drei Länderspiele gemacht, wurde dabei zwei Mal eingewechselt. Das spielt keine Rolle. Neuer spielt so, wie man sich das beim DFB vorstellt: Wie ein fünfter Abwehrspieler. Er ist einfach ein guter Fußball, der kann kicken. Der könnte als Feldspieler in der Regionalliga spielen.
Der Bundestrainer hat die Torwartfrage offen gelassen, auch Bayerns Jörg Butt hat nach seiner Sensationssaison plötzlich Chancen, alle Keeper rechts zu überholen.
Das glaube ich nicht. Denn nur durch Adlers Verletzung wurde Butt überhaupt nachnominiert. Er spielt eine tolle Saison bei Bayern, keine Frage. Butt kam ja damals nur als Stellvertreter für Rensing, hat sich prächtig entwickelt, kann nun drei Titel gewinnen.
Und wenn sich Löw für ihn entscheidet, hat er zwei Extra-Trümpfe.
So? Welche denn?
Blockbildung. Sieben Bayern sind im Kader. Mit Lahm und Badstuber zwei Verteidiger, dazu Schweinsteiger vor der Abwehr - das würde helfen.
Sehe ich nicht so. Es ist genügend Zeit, sich noch einzuspielen. Meinen Sie, nur weil ich beim 1. FC Köln war, hat man noch ein paar Verteidiger von uns für die Nationalelf nominiert? Also! Und zweitens?
Butt kann Elfmeter schießen. Etwa am Samstag im Pokalfinale gegen Werder.
Ich finde das nicht gut. Ein Torhüter ist ein Torhüter. Fürs Schießen der Elfmeter sind die Feldspieler ausgebildet. Es kommt doch auch kein Stürmer und sagt: Hey, Keeper, gib mir vor der nächsten Ecke mal dein Trikot und die Handschuhe - ich mach' das.
Wär' mal was Neues. Was halten Sie von Butt? Er ist das Gegenmodell zu Ihnen. Manche spotten, so introvertiert wie der Oldenburger ist, der kann gar kein Torwart sein.
Er wird schon auch eine Macke haben.
Die hat er mit fast 36 bisher gut versteckt.
Sein Torwartspiel ist nicht so meine Art, aber man sieht: Es führen viele Wege zum Erfolg. Butt ist erfahren, sozial gut gestrickt, der würde kein Theater machen, wenn er nicht die Eins wird. Er erinnert mich ein bisschen an Dino Zoff, der war auch eher der ruhige Typ.
Und wurde 1982 in Spanien im Alter von 40 Jahren mit Italien Weltmeister. Im Finale gegen Deutschland mit Toni Schumacher.
So kann's gehen.
Interview: Patrick Strasser