Breitseite gegen seine Kritiker: So reagieren die FC-Bayern-Bosse auf Tuchels Wut-Interview

Die Frontal-Attacke von Trainer Thomas Tuchel auf seine Chefkritiker Didi Hamann und Lothar Matthäus offenbart ein Vakuum in der Führungsetage beim FC Bayern. Es fehlt ein starker Sportchef – einer wie Max Eberl.
von  Patrick Strasser, Bernhard Lackner
Irgendwann platzt auch mal Thomas Tuchel der Kragen – dass es soweit nicht mehr kommt, dafür könnte Künftig auch Max Eberl beim FC Bayern sorgen.
Irgendwann platzt auch mal Thomas Tuchel der Kragen – dass es soweit nicht mehr kommt, dafür könnte Künftig auch Max Eberl beim FC Bayern sorgen. © imago

München - Die gute Nachricht für Thomas Tuchel lautet: Das Champions-League-Spiel seiner Bayern gegen Galatasaray Istanbul überträgt DAZN, nicht Sky. Tuchels Quälgeist, nennen wir ihn "Didi Matthäusmann", kann dem Cheftrainer also nicht begegnen am Mittwoch, weder in der Allianz Arena, noch zugeschaltet aus dem Studio.

Nach Attacke auf Hamann und Matthäus: Reue zeigt FC-Bayern-Trainer Tuchel keine

Seine vor Ironie und Sarkasmus triefenden Wut-Interviews vor und nach dem 4:0 in Dortmund haben Tuchel eine Diskussion um die Verhältnismäßigkeit eingebrockt – und um die Dicke seiner Haut. Ein Bayern-Trainer braucht mehrere Lagen Fell. Die beleidigten Reaktionen gegenüber der Kritik von Didi Hamann und Lothar Matthäus zeugen von Tuchels Wut und Wehrhaftigkeit. Das sei "alles spontan" und daher "authentisch", versicherte er am Dienstag.

Von Reue oder Entschuldigung keine Spur. Auch nicht gegenüber der Mannschaft, deren 4:0-Machtdemonstration aufgrund des TV-Aufregers in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Spieler hätten ihr positives Feedback auf dem Platz bekommen, so Tuchel. Er wollte, musste für seinen Seelenfrieden einen Keil reinschlagen, eine Bis-hier-und-nicht-weiter-Linie ziehen – nach dem Motto: Ach wie gut, dass jetzt jeder weiß, dass ich Rumpeltuchelchen heiß! Aber muss die Frage nicht eher lauten: Wer schützt eigentlich Tuchel vor Tuchel?

Trainer Thomas Tuchel bekommt Rückendeckung von den FC-Bayern-Bossen

Von seinen Vorgesetzten bekam der gebürtige Krumbacher nach seinem Frontal-Angriff Rückendeckung. Präsident Herbert Hainer ("Mir gefällt es, dass er so wehrhaft ist!") und Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen ("Er bekommt unsere volle Rückendeckung") goutierten den Vorstoß ihres Trainers ebenso wie Sportdirektor Christoph Freund. "Ich finde es gut und richtig, dass Thomas seine Meinung klargemacht hat, nachdem sich diese Kritik über Wochen zieht", sagte der Österreicher zu "Bild" und erklärte: "Der FC Bayern hat sich schon immer gewehrt, wenn es nötig ist. Das hat Thomas jetzt gemacht, und da stehen wir zu 100 Prozent hinter ihm."

Das tat gut, wenn es auch etwas spät kam. Zunächst ließen die Bosse ihren Trainer in die Eskalation reinlaufen. Warum hat ihm nicht Sportdirektor Freund das Interview vor dem Spiel bei Sky abgenommen? Wurde Tuchel alleingelassen? Siehe den Fall von Vorgänger Julian Nagelsmann, der in seinem ersten Amtsjahr neben dem Trainerjob als Gesicht des Vereins noch den Außenminister geben musste. Oliver Kahn, der die Rolle als CEO auf seine eigene Art interpretierte, und Sportvorstand Hasan Salihamidzic tauchten weitestgehend ab.

Kein Krach beim FC Bayern: Uli Hoeneß und Thomas Tuchel haben sich ausgesprochen

Und die aktuelle, seit dem Krach im Mai neu zusammengestellte Führungscrew? Hainer und Dreesen genießen fachlich große Wertschätzung, treten eher verbindend und staatsmännisch auf. Attacken als Ablenkungsmanöver, nach dem Vorbild von Uli Hoeneß, sind nicht ihre Art. Und Freund hält sich seit seinem Amtsantritt am 1. September noch zurück, beobachtet und lernt demütig.

Mit so manchen Aussagen zur Qualität und Quantität des Kaders sowie zu Ex-Trainer Nagelsmann sorgte Hoeneß bei Tuchel für Verstimmung, man hat sich ausgesprochen. Gegenüber den Medien hätte der 71-jährige Ehrenpräsident mittels eines Rundumschlags alter Schule rechtzeitig für Ruhe sorgen können. So musste Tuchel durchs Feuer und erlitt leichte Verbrennungen, meinte am Dienstag jedoch abmoderierend: "Alles gut!"

Der FC Bayern will Max Eberl als Sportvorstand 

Übernimmt die Hoeneß-Rolle künftig Max Eberl, der designierte Sportchef von Hoeneß' Gnaden? Am kommenden Montag, einen Tag nach der Jahreshauptversammlung, trifft sich der Aufsichtsrat (samt Chef Hainer und Mitglied Hoeneß) zur turnusgemäßen Sitzung. Dann soll der Weg für Eberl, der Ende September bei RB Leipzig als Geschäftsführer ausschied, freigemacht werden.

Eine Ablöse müsste für den 50-Jährigen investiert werden, da er von RB bisher lediglich freigestellt ist. Klingt nach sinnvoll investierter Ablöse. Inwieweit dann Eberls Zusammenarbeit mit Tuchel, der sich bis dato mit Freund blendend versteht, fruchtet? Wie so vieles gerade bei Bayern eine Frage der Weiterentwicklung.

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