Breitners Barthaare im Entmüdungsbecken

Auf den FC Bayern warten in Braunschweig die Erinnerungen – und ein unangenehmes Team. Die Eintracht war 1967 Meister und in den 70er Jahren ein Bedrohung für Bayern.
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Paul Breitner, hier im Afro-Look vergangener Tage.
Rauchensteiner / Augenklick Paul Breitner, hier im Afro-Look vergangener Tage.

Braunschweig - Der Kabinentrakt des Stadions an der Hamburger Straße, in dem sich die Bayern am Montagabend in Braunschweig umziehen, wenigstens der ist schon fertig. Im Sommer 2013 soll die neue Haupttribüne stehen.

Marc Arnold, Sportdirektor von Eintracht Braunschweig, dem Herausforderer der Bayern in der ersten Pokal-Runde (20.30 Uhr, ARD live), meinte über die renovierten Kabinen der alten Spielstätte, einem grauen Monument der guten alten Zeit: „Im alten Entmüdungsbecken lagen ja noch die Barthaare von Paul Breitner.“ Die Eintracht war 1967 Meister und noch in den 70er Jahren mit Stars wie Torwart Bernd Franke, Verteidiger Bernd Gersdorff oder Kultfigur Danilo Popivoda zeitweise eine reale Bedrohung für die Bayern. Alteingesessene behaupten, das Missmanagement und der Niedergang nahm seinen Anfang 1977, als ein gewisser Paul Breitner von Real Madrid ins damalige Zonenrandgebiet mit dem vielen Geld des Likörfabrikanten Günter Mast („Jägermeister“) gelockt wurde.

Ein Weltstar in der Provinz – damals eine Sensation. „Viele haben damals von hirnrissig gesprochen. Ich fühlte mich zu jung, um für immer bei Real zu bleiben“, erzählte Breitner bei „dfb.de“. Seine Gründe: „Angebote aus Südamerika, Paris und Marseille sowie von Cosmos New York gingen ein, doch meine Frau war dagegen. Unsere Töchter standen vor der Einschulung, wir wollten zurück nach Deutschland.“ Die Bayern machten im Frühjahr 1977 ein Angebot, Breitner wollte nicht als verlorener Sohn zurück. Beinahe hätte er beim Hamburger SV unterschrieben – bis Mast anrief. Breitner, heute Markenbotschafter des FC Bayern: „Das Gespräch dauerte keine zwei Minuten, dann zwei Tage später noch mal, wieder für zwei oder drei Minuten. Wir waren uns schnell einig.“

Doch Breitner kam nie an in Braunschweig, in der Mannschaft überhaupt nicht. „Nach drei Jahren in Madrid betrat ich eine ganz andere Welt“, erinnert sich der 59-Jährige, „es gab Neid und Missgunst in der Mannschaft, mindestens bei der Hälfte der Spieler. Von Anfang an wurde ich nicht angespielt, der Ball ging immer wieder zum schlechter postierten Mann.“ Zehn Tore in 30 Ligaspielen machte Breitner im Jägermeister-Trikot, am Ende war man punktgleich mit Bayern und nur einen Rang schlechter.

Bayern wurde 12., Braunschweig 13. Breitner wechselte nach München. „In der Summe war es eher unbefriedigend, aber auch dabei gab es positive Momente“, sagt Breitner, „bis heute spüre ich in Braunschweig, dass die Fußballfans mir den Weggang nicht übel genommen haben, weil ich bis zur letzten Sekunde des letzten Spiels versucht habe, das maximal Mögliche zu geben.“

Seit Breitners Abgang pendelte die Eintracht zwischen 2. Liga, 3. Liga und Existenzängsten. „Es ist hier in der Vergangenheit viel zerstört worden“, erzählt Arnold. 2008 drohte gar die Qualifikation für die Dritte Liga zu missglücken. Als Retter sprang damals Nachwuchstrainer Torsten Lieberknecht ein, und heute kann der Fußballlehrer mit dem Pfund wuchern, dass er zur Erlangung der Lizenz eine Abschlussarbeit schrieb, die hieß: „Der schwierige Spagat zwischen Tradition und Zukunft bei Eintracht Braunschweig.“ Sportdirektor Arnold hat das 35-seitige Werk gelesen, das von den Prüfern mit „gut“ bewertet wurde.

5,5 Millionen Euro beträgt der  Lizenzspieler-Etat des aktuellen Zweitliga-Tabellenführers, ein Jahresgehalt manches Bayern-Profis. Dennoch sagt Lieberknecht: Der FC Bayern solle sich nicht zu sicher sein, „meine Jungs sind ziemlich unangenehm“. Dabei grinst er angenehm.

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