Boateng: Guter Bruder, böser Bruder?

Der eine spielt beim FC Bayern München, der andere beim AC Mailand.  Jérome und Kevin-Prince Boateng treten beim Audi Cup erstmals seit 2010 gegeneinander an.
von  Patrick Strasser
Während der WM 2010 spielten Jerome und Kevin-Prince (r.) beim Spiel Deutschland gegen Ghana (1:0) gegeneinander.
Während der WM 2010 spielten Jerome und Kevin-Prince (r.) beim Spiel Deutschland gegen Ghana (1:0) gegeneinander. © dpa

München -  Besucht man die Homepage von Jérome Boateng, könnte man meinen, die aufstrebende Basketball-Abteilung des FC Bayern hat einen weiteren NBA-Star verpflichtet. Oder einen Rapper als neuen Stadionsprecher.

„Heimat” heißt es auf „jboateng.com” gelb auf schwarz. Und: „Von Charlottenburg in die Welt. Geboren in Berlin, die Wurzeln in Ghana.” Die neue Heimat ist der FC Bayern, Jérome Boateng soll der Abwehr-Boss werden.

1,92 Meter ist er, eine imposante Erscheinung mit gewaltigem Kreuz. Doch wenn er abseits des Platzes mit seiner dicken, schwarzen Nerd-Brille spricht, erstaunt die sanfte, freundliche Stimme. Jérome ist der ruhige Boateng. Fotos, wie er mit nacktem Oberkörper in halbstarker Pose in die Kameras brüllt, gibt es von ihm nicht. Nur von seinem Halbbruder, von Kevin-Prince.

Am Dienstag, im zweiten Halbfinale des Audi-Cups in der Allianz Arena (20.45 Uhr, ZDF live) treffen sich die Brüder wieder. Bayern gegen den AC Mailand. Jérome bei seinem Arena-Debüt gegen Kevin-Prince, es ist das erste Duell seit der Begegnung bei der WM 2010 in Johannesburg. Damals hieß es Deutschland gegen Ghana (1:0). Die Brüder waren zerstritten, haben jetzt wieder Kontakt. Kevin-Prince hatte mit einem üblen Foul im Mai 2010 den WM-Traum von Michael Ballack und – das konnte er jedoch nicht wissen – dessen Nationalelf-Karriere zerstört. Good guy, bad guy. Good Boateng, bad Boateng? Die AZ stellt die die Halbbrüder vor:

Ihre Eltern: Vater Prince Boateng kam vor 30 Jahren aus Ghana nach Deutschland, er war ein guter Verteidiger bei den Reinickendorfer Füchsen. Der Onkel spielte in Ghanas Nationalelf. Kevins Mutter Christine kickte in Wedding – und heißt eigentlich Rahn. Tatsächlich verwandt mit Helmut Rahn, einem der Helden von Bern 1954.

Ihre Berliner Jugend: Jérome wächst in Charlottenburg-Wilmersdorf auf, Kevin-Prince in Berlin-Wedding. „Wenn die Leute dahin kommen, wo wir aufgewachsen sind, werden sie sehen: Entweder du wirst Gangster und Drogendealer – oder eben Fußballspieler”, sagte Kevin-Prince einmal. Und: „Bei uns gab es eben nur das Essen mit chinesischen Billig-Nudeln. Ohne Fußball wäre ich wahrscheinlich kriminell geworden.” Beide spielten in der Jugend bei Hertha BSC, 2007 trennten sich die Wege.

Ihre Karriere: Für Kevin-Prince war die Premier League mit Tottenham Lehrgeld, nach eineinhalb mäßigen Jahren wechselte er im Januar 2009 zu Borussia Dortmund. Weil ihn sich der BVB nicht leisten konnte, ging er zum FC Portsmouth. Ein Jahr später der Wechsel nach Mailand, sein Durchbruch. Kurz vor der WM 2010 debütierte er in Ghanas Nationalelf. Sein Halbbruder spielte von 2007 an drei Jahre beim HSV, dann eine mittelprächtige Saison bei Manchester City, die nun 13,5 Millionen Euro von Bayern erhielten. Im Oktober 2009 debütierte er unter Jogi Löw im DFB-Team – und sah beim 1:0 in Russland die Rote Karte.

Ihre Macken: Jérome hat einen Schuh-Tick, besitzt rund 400 Paar Sneakers. Kevin-Prince galt als durchgeknallt, gab zu, in London Geld für Autos und Nachtklub-Besuche verprasst zu haben. Bei der Meisterfeier des AC Milan tanzte erden Moonwalk von Pop-Legende Michael Jackson.
Warum sie so unterschiedlich sind? Jérome: „Wir sind nicht zusammen aufgewachsen, er hatte es schwerer als ich. Egal, was passiert ist: Er bleibt mein Bruder.”
 

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