Bitte bleiben Sie, Trainer!

Es ist die spannendste Frage beim FC Bayern: Macht Heynckes im Sommer weiter – oder nicht? Wer sich für ihn stark macht.
Doha - Wenn Jupp Heynckes über den Trainingsplatz der „Aspire”-Anlage schreitet, beugt er immer leicht den Oberkörper nach vorne und verschränkt die Arme hinter dem Rücken. Ob beim Torwarttraining von Assistent Tapalovic, beim lockeren Fünf gegen Zwei oder bei kraftraubenden Konditionseinheiten im Parcours von Fitness-Coach Martins – Heynckes schlendert überall vorbei, dem 67-Jährigen entgeht nichts.
Diese Art von Überwachung ist jedoch nicht von unangenehmer Natur für die Spieler. Der Chefcoach zeigt Präsenz, motiviert, gibt Tipps und Hilfestellungen. Er kann auch laut werden, klar. Aber nie im Kasernen-Ton von Vorgänger Louis van Gaal, der von den Profis als Fachmann geschätzt wurde, jedoch zwischenmenschliche Defizite hatte. Bei Heynckes schätzen die Spieler den ruhigen, gelassenen Umgangston, die Ruhe, die er ausstrahlt. Aber das – die Formulierung soll hier erlaubt sein – in alter Frische.
Wie einer, der in vier Monaten seine Rente antritt, wirkt er jedoch bei weitem nicht. Der Trainer mache einen „sehr lebendigen Eindruck. Er gibt viele Anweisungen, lebt uns die Einstellung vor. Er hat uns noch mal einen Schritt besser gemacht”, sagt Toni Kroos. Nach der Ankunft in Doha hatte Heynckes eine impulsive, intensive Rede zum Start des Jahres 2013 vor versammelter Mannschaft gehalten. Die Worte kamen gut an, die Botschaft hallt nach. Im zweiten Jahr unter Heynckes sollen nun die Titel her, die man 2012 serienweise verpasst hat. Er selbst sprach davon, nun „die Früchte seiner Arbeit” ernten zu wollen.
Und dann soll plötzlich Schluss sein? Erst im März wird über eine Vertragsverlängerung mit den Bossen gesprochen, doch die Mannschaft hat Heynckes hinter sich. Wegen guter Führung. Beinahe geschlossen gaben die Stars ihr Veto für Heynckes ab. Bastian Schweinsteiger sagte zu „Bild”: „Jupp Heynckes ist ein entscheidender Faktor für unseren Erfolg. Er spricht sehr viele Dinge klar und deutlich an – und fordert sie ein. Seine Arbeit wird mir öffentlich zu wenig gewürdigt. Ich würde es begrüßen, wenn er um ein weiteres Jahr verlängert.”
Nun reihte sich in die Liste der Fürsprecher auch Kapitän Philipp Lahm und Franck Ribéry, neben Kroos einer der größten Profiteure von Heynckes’ dritter Amtszeit, ein. Beide würden es „sehr schade” finden, sollten Heynckes und der FC Bayern nach der Saison getrennte Wege gehen. „Er gibt mir viel Vertrauen, er ist locker, lacht viel, arbeitet viel mit uns, Wir sind sehr zufrieden mit ihm”, betonte Ribéry erneut.
„Dass wir hervorragend mit ihm zusammenarbeiten, weiß jeder. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen”, sagte Lahm, dann fügte er an: „Die Entscheidung liegt nicht in unserer Hand." Damit spielen die Profis den Ball ihren Bossen und dem Trainer zu – mit einem eindeutigen Zuruf: Bitte bleiben Sie, Trainer! Können die Bosse das überhören?
An Präsident Uli Hoeneß, seit den 80er Jahren mit Heynckes eng befreundet, dürfte eine Ausdehnung des Engagements nicht scheitern. Auch Sportvorstand Matthias Sammer lobt immer häufiger die Arbeit des Trainers: „So, wie ich ihn jetzt erlebe, besetzt er mit seiner Persönlichkeit alle Facetten. Er ist ein fantastischer Trainer”, sagte Sammer.
Die Frage wird sein: Möchte sich Heynckes den Stress noch ein weiteres Jahr antun? Er sprach in Doha von der Motivation und dem Spaß, den er an der täglichen Arbeit habe, deutete jedoch auch an, dass der Job „wahnsinnig intensiv und nicht immer so einfach” sei.
Bayerns Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld riet Heynckes ebenfalls zum Bleiben. Er sagte der AZ: „Jupp hat die Frische, die Freude und sieht, was er für ein Potenzial im Kader hat. Das macht einen Trainer selbstbewusst.” Und womöglich auch im Alter von 67 Jahren nimmersatt.