„Besser als Zidane“

Hier erläutert ein Aggressionsforscher, wieso der Kabinenstreit Ribéry gegen Robben kein Rückschlag für den FC Bayern sein muss.
von  Thomas Becker
Robben und Ribery: Sind sie in der Kabine aneinander geraten?
Robben und Ribery: Sind sie in der Kabine aneinander geraten? © firo

Was in der Kabine war, bleibt in der Kabine.“ Nur: Wenn ein Kicker anders aus der Kabine rauskommt als er reingegangen ist, stellen sich Fragen: Woher hat Arjen Robben das Veilchen unter dem rechten Auge? Womöglich von Franck Ribéry, der laut „Sport-Bild“ in der Halbzeit des Real-Spiels mit der Faust zugeschlagen haben soll. Laut „Bild“ musste der Franzose hierfür eine Geldstrafe zahlen. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge jedenfalls sagte am Freitag: „Die Dinge sind intern geregelt.“
Vorausgegangen war dem Duell ein Freistoß, um dessen Ausführung Robben und Ribéry stritten. Trainer Jupp Heynckes gab nun an, dass „die Schützen vor dem Spiel klar benannt waren“, in diesem Fall Ribéry und Kroos. Ansonsten wollte der Coach sich zum Kabinenstreit nicht äußern. „Es gibt Tabuzonen“, so Heynckes.
Es ist nicht die erste Rangelei unter Bayern: Unvergessen Bixente Lizarazus Ohrfeige gegen Lothar Matthäus 1999 oder Sammy Kuffours Attacke auf Jens Jeremies 2002. Aber muss sich jetzt das Traum-Duo Robbery an den Kragen gehen?
„Das ist normal“, sagte dazu am Freitag Ex-Bayer Willy Sagnol, „ich würde das als gutes Zeichen werten. Das sind Emotionen.“ Kein Problem, meint auch Aggressionsforscher Professor Jens Weidner: „Die beiden leben voneinander, schaukeln sich gegenseitig hoch – das kann sich ein Verein nur wünschen.“
Wissenschaftlich handele es sich um eine spontan defensive Aggression von Robben, der Ribéry vom Freistoß abhält. Ribery beantworte das mit einer reaktiven Aggression. Somit wolle er Geschehenes ungeschehen machen. „Eine kleine Rache an der Vergangenheit“, so Weidner.
Wie sollte Robben reagieren? Weidner empfiehlt: „Er sollte ihm lachend auf die Schulter hauen und sagen: ,Franck, sauberer Schlag!’ Wenn er so generös reagiert, wächst Liebe aus dieser überbordenden Aggression. Provoziert er ihn, wird’s schwieriger.“
Ribéry komme ja aus einem schwierigen Milieu, wo es wichtig sei: immer eine klare Statusansage zu machen. Ribéry mache deutlich: „Ich bin ganz oben." Wenn er so übertrieben reagiere, sei das Ausdruck von Leidenschaft – nicht ganz schlecht. Warum er so reagiert? „Weil die Majestät Robben den Sonnenkönig Ribéry zurückgehalten hat, der letztlich den Satz ,L'etat, c'est moi!’ lebt“, erklärt Weidner, „beide Könige wollen auf einen Thron.“
Ribérys unbewusste Ansage sei nun: „Die Rolle des Matchwinners beanspruche ich.“ Ein Problem? Nein, meint Weidner: „Weil Heynckes es schaffen wird, diesen aggresssiven Wettbewerb, diese ganze Energie auf die Spanier umzulenken. Warum? Weil diese kleinen Könige die Vaterfigur Heynckes über sich haben, der die Kunst beherrscht, die beiden so zu behandeln, dass sie eine Sonderstellung haben – ohne dabei die deutschen Stars zu verprellen.“
In der Mikrosoziologie nenne man das „leadership struggle", Führungsstreit, sagt Weidner: „Der wird so enden, dass beide feststellen, dass sie zusammen erfolgreicher sind.“ Für Ribéry sei der Konflikt gelöst, glaubt Weidner: „Ein richtiger Mann schätzt es nicht, öffentlich gemaßregelt zu werden. Aus seiner Sicht ist es ein enormer Reaktionsfortschritt, Robben das Ding erst in der Kabine zu geben. Er macht das besser als Zidane, der 2006 nach seinem Kopfstoß vom Platz flog und das WM-Finale verlor – im Vergleich dazu ist Ribery fünf Entwicklungsschritte weiter.“

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