„Bei Michael bekomme ich Gänsehaut“

Sepp Maier hat Michael Rensing ja selbst mal trainiert, war von 2000 bis Mai diesen Jahres sein Torwart-Coach. Daher kann er dessen Form und Fehler bestens beurteilen. Ausnahmsweise tut er’s hier öffentlich
von  Abendzeitung

Sepp Maier hat Michael Rensing ja selbst mal trainiert, war von 2000 bis Mai diesen Jahres sein Torwart-Coach. Daher kann er dessen Form und Fehler bestens beurteilen. Ausnahmsweise tut er’s hier öffentlich

AZ: Herr Maier, Manager Uli Hoeneß hat Bayern-Torhüter Michael Rensing nach dem 2:1-Sieg auf Schalke überschwänglich gelobt: „Endlich haben wir wieder einen Torhüter gehabt, der einen Sieg festhält. Was er gehalten hat, verdient Beachtung.“ Waren Sie mit Rensings Leistung ebenso einverstanden?

SEPP MAIER: Wir wissen doch alle, warum der Uli so etwas sagt. Es war an der Zeit, den Michael zu loben, um ihm ein gutes Gefühl zu geben. Ich war nicht besonders beeindruckt.

AZ: Warum? Was meinen Sie im Speziellen?

SEPP MAIER: Das Tor zum 1:1 bei Schalke zum Beispiel war so ein Ding. Warum kommt er denn da rausgerannt? Der Winkel zum Tor war für Farfan sehr spitz. Da bleib’ ich doch in meinem Kasten drin, nie darf ich in so einer Situation rausgehen. Das sind überstürzte Aktionen, die keinen Sinn machen. Da darf Michael nicht so euphorisch sein, muss abgeklärter, ruhiger werden.

AZ: Insgesamt aber wird er seit einem Durchhänger im September stabiler. Beim 1:1 in der Champions League in Florenz hielt er den einen Punkt fest.

SEPP MAIER: Das stimmt. Es ist immer der Torwart, der darunter zu leiden hat, wenn die Abwehr nicht funktioniert. Aber er kann’s viel besser, er muss noch viel stärker werden. Das weiß er aber selbst.

AZ: Auffällig war, dass Rensing auf Schalke jede hohe Flanke, jede Ecke wegfaustete und den Ball nicht abfing.

SEPP MAIER: Es war noch nie so augenscheinlich bei ihm wie derzeit. Das schaut richtig hässlich aus. Beim Schalke-Spiel musste ich immer die Augen schließen bei einer hohen Flanke oder Ecke – bei Michael bekomme ich Gänsehaut. Womöglich hat ihm das jemand aus dem neuen Trainerstab eingebläut, ich weiß es nicht.

AZ: Klingt so, als hätten Sie ihm in all den Jahren etwas Anderes beigebracht bei Flanken und hohen Bällen.

SEPP MAIER: Toni Schumacher (Ex-Nationaltorwart, d. Red) hat damals mit dem Schmarrn angefangen. Meine These war immer: Ich gehe von der Linie raus zu einer Flanke, um den Ball zu fangen, nicht um ihn wegzuboxen. Nur wenn ich bedrängt oder behindert werde und sehe, dass ich mit beiden Händen nicht mehr hinkomme, dann fauste ich die Kugel weg. Ich habe Michael tausend Mal gesagt: Fauste den Ball nur im Notfall, sonst nie!

AZ: Was sind denn die Nachteile dieser Technik?

SEPP MAIER: Das Wegboxen ist gefährlich, immer eine unsichere Sache. Du kannst den Ball nicht richtig treffen oder einen Gegner oder Mitspieler im Gewühl unverhofft als Bande benutzen. Oder der Ball kullert einem Stürmer vor die Füße und der schiebt ein. Wenn du die Kugel abfängst, hast du Ballbesitz und kannst mit einem schnellen Abwurf sofort einen Gegenangriff einleiten.

AZ: Ist Michael lernfähig?

SEPP MAIER: Natürlich. Wenn ich ihn kritisiere so wie jetzt, weiß er, dass das nicht böse gemeint ist. Er nimmt so etwas gut auf, es stachelt ihn eher an.

Interview: Patrick Strasser

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