Bedingt angriffsbereit: Der FC Bayern und seine Offensivschwäche

Der FC Bayern gewinnt zwar mit 1:0 gegen Hertha, kann aber in der Offensive mal wieder nicht überzeugen. Lewandowski kommt kaum zu Chancen – nur Martínez glänzt wie schon gegen Liverpool.
von  Patrick Strasser
Mit dem FC Bayern in der Bundesliga in der Spur: Joshua Kimmich (li.) und Javi Martinez.
Mit dem FC Bayern in der Bundesliga in der Spur: Joshua Kimmich (li.) und Javi Martinez. © Matthias Balk/dpa

München – Ein Schuss, ein Tor, die Bayern. Kennt man. Klingt neuerdings so: Ein Kopfball, kein Gegentor, der Javi. Matchwinner Martínez köpfte eine Ecke von James Rodríguez zum mickrigen 1:0 gegen Hertha BSC rein. Der Rest war – nun ja, man reiche einen Mantel des Schweigens, bitte.

Torhüter Manuel Neuer konstatierte ehrlich: "Es war nicht das schönste Spiel, dass die Allianz Arena gesehen hat." Trainer Niko Kovac meinte lapidar: "Standards entscheiden die Spiele – das ist heute so."

Das Positive: Sie können ja doch zu null spielen. Wie beim taktischen Abnutzungskampf in der Champions League. Für Uli Hoeneß war das 0:0 in Liverpool "Rasenschach auf allerhöchstem Niveau". Der Bayern-Präsident gestand am Sonntag in "Sport1", man habe vor dem Auswärtsspiel in England ein wenig "die Hosen voll gehabt".

Mit dem FC Bayern in der Bundesliga in der Spur: Joshua Kimmich (li.) und Javi Martinez.
Mit dem FC Bayern in der Bundesliga in der Spur: Joshua Kimmich (li.) und Javi Martinez. © Matthias Balk/dpa

FC Bayern rückt an Dortmund ran - wen interessiert da schon die Spielweise?

Aber: Man habe sie "in Schach gehalten" und überhaupt sehe er einen "klaren Aufwärtstrend", mit den Siegen steige das Selbstvertrauen. Vielleicht, so Hoeneß, "wird es doch noch eine sehr gute Saison". Sehr gut heißt übersetzt: mit mindestens zwei Titeln.

Auch in Hoeneß Augen lügt die Tabelle nicht, lediglich die Tordifferenz ist für ihn außer Kraft gesetzt. "Wir sind wieder Tabellenführer", sagte er, ganz Honigkuchenpferd. Nach dem Dreier gegen Hertha war man ja zwischenzeitlich punktgleich mit Dortmund, ehe der BVB am Sonntagabend mit 3:2 gegen Leverkusen gewann und damit den Drei-Punkte-Abstand wieder herstellte. Aber: Im Herbst hatte der BVB mal neun Punkte Vorsprung. Das sind die Fakten.

Was interessiert da schon die aktuelle Spielweise? Das 0:0 in Liverpool, ermauert durch den "Kovatenaccio", der an den früheren italienischen Verteidigungsriegel erinnerte.

Dem FC Bayern fehlt die Durchschlagskraft

Auch gegen Hertha fehlten Durchschlagskraft, Ideen und Dynamik nach vorne. Kovac coacht nun, ähnlich wie letzte Saison bei Eintracht Frankfurt, pragmatisch und zielorientiert. Stürmer Robert Lewandowski gefällt das nicht, er kommt kaum noch zu Torchancen. Leon Goretzka, zu Beginn des Kalenderjahres torgefährlich wie einst Michael Ballack, plagen Wehwehchen, James seine Zukunftsgedanken und Thomas Müller der Rücken – vom Sitzen auf der Bank.

Der 29-Jährige stand gegen die Berliner erstmals seit Mai 2009 in vier aufeinanderfolgenden Pflichtspielen, in denen er spielberechtigt war, nicht in der Startelf. Erst als dritter Joker ersetzte er Pechvogel Kingsley Coman, der verletzt raus musste und so das Flügel-Problem vergrößert. Heißt unterm Strich: Die Bayern sind bedingt angriffsbereit.

Müller ist weiter außen vor

Müller, sonst eine immer sprudelnde Wortquelle, verpasste sich nach dem Spiel einen Maulkorb, rief den Reportern im Vorbeigehen als Erklärung zu: "Da kommt nichts Gescheites bei raus." Der Weltmeister von 2014 ist momentan außen vor, selbstverschuldet durch die Rote Karte im Dezember in Amsterdam. Kovac baut seine Elf daher ohne Müller, er fehlt ja auch im Rückspiel gegen Liverpool. Am 13. März braucht Bayern Tore zum Weiterkommen. Man hat ja Martínez, den Widerstandskämpfer im zentralen Mittelfeld. "Wenn er in Form ist, ist er eine Waffe", so Hoeneß. Für Sportdirektor Hasan Salihamidzic ist der Wellenbrecher der Spieler der Woche. Martínez bescheiden wie immer: "Egal, ein wichtiger Sieg für die Mannschaft."

Für die Tabelle und die Moral. Joshua Kimmich: "In der Hinrunde hätten wir so ein Spiel nicht gewonnen." Und noch den Ausgleich kassiert. Wie beim 1:1 gegen Augsburg, beim 1:1 gegen Freiburg und beim 3:3 gegen Düsseldorf.

Am 6. April kommt’s in München zum Showdown mit Dortmund. "Da freue ich mich drauf", sagte Hoeneß breit lächelnd, "das wird ein richtiges Endspiel. Ich bin mir sicher, dass an dem Tag die Meisterschaft vorentschieden wird." Ein 1:0 reicht ja.

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