Bayerns Titel-Verteidigung und Buhrufe gegen Brazzo

München - Am Sonntagnachmittag war die Zeit mal wieder reif: Während tausende Fans schon draußen am Marienplatz Bayern-Lieder sangen und das Sommerwetter feierten, das auch auf Ibiza kaum schöner hätte sein können, holte Uli Hoeneß auf den Treppen des Münchner Rathauses zur Grundsatzrede aus.
Uli Hoeneß meint, es gebe eine "Hetzjagd" gegen Salihamidzic
Bayerns Ehrenpräsident, der als Aufsichtsrat weiter sehr gefragt ist in allen sportlichen und strategischen Fragen, verteidigte seinen Klub wie eine Mutter ihr neugeborenes Kind - bei allen relevanten, kritischen Themen der vergangenen Tage und Wochen, die trotz der zehnten Meisterschaft in Folge sehr präsent sind. Die Münchner haben auch nach Saisonende einige komplizierte Aufgaben zu bewältigen.

Und so war es Hoeneß unter anderem ein Anliegen, Sportvorstand Hasan Salihamidzic zu schützen. Es würde eine "Hetzjagd" gegen Salihamidzic geben, sagte Hoeneß: "Er ist nicht alleine verantwortlich für die Transferpolitik. Als wir sechs Titel gewonnen haben, habe ich keinen gehört, der gerufen hat: ,Hasan, Hasan!' Jetzt, wo wir die Champions League nicht gewinnen, ist er alleine schuld. Das kann nicht sein." Die Transferpolitik sei Aufgabe des ganzen Klubs und nicht nur die eines einzelnen. Klar, das stimmt, auch Vorstandschef Oliver Kahn ist immer involviert, zudem muss der Aufsichtsrat kostspielige Investitionen absegnen.
Paulaner-Party: Fans buhen Brazzo aus
Gegen Salihamidzic hatte es am Samstagabend auf der Paulaner-Fanparty am Nockherberg vereinzelte Unmutsbekundungen gegeben, aber auch Applaus. Der 45-Jährige trat vor fünf Jahren den Posten als Sportdirektor an und ist seit Sommer 2020 Sportvorstand. Salihamidzics Arbeit sei "gut", sagte Hoeneß. Dieselbe Note gab er auch für die Arbeit des neuen Vorstandschefs Kahn. Man müsse die Spieler wieder mehr in die Pflicht nehmen, forderte Hoeneß.

Der langjährige Manager und Präsident ließ allerdings auch durchblicken, dass die Führungsriege um Kahn und Salihamidzic sich verbessern kann, verbessern muss. Trainer Julian Nagelsmann hätte in der "Außenpolitik" des Vereins "relativ viel" Stress gehabt, sagte Hoeneß. "Das wird sich ändern müssen in den nächsten Jahren."
Hoeneß: Kahn und Salihamidzic müssen sich verbessern
Es könne nicht sein, dass der Trainer das übernehmen müsse. Nach öffentlicher Kritik an Salihamidzic und Kahn kündigte Hoeneß Gespräche über dieses Thema an: "Die Verantwortlichen, ich bin ja Aufsichtsrat, werden es da besprechen, wo es notwendig ist - nämlich im Gremium."

Einig ist man sich bei den Münchnern, dass die Saison nicht ideal verlaufen ist und in der kommenden Spielzeit am besten wieder mehr Trophäen präsentiert werden sollen. "Nächste Saison greifen wir wieder richtig an - und dann sehen wir uns hier wieder", sagte Kahn. Coach Nagelsmann, der sich bei den Feierlichkeiten zurückhielt, ergänzte: "Ich gehe nachher wieder ins Büro - nächstes Jahr werden es hoffentlich ein, zwei Titel mehr."

Hoeneß wollte sich die Meisterschaft aber auch nicht schlechtreden lassen. "Ich bin der Meinung, dass wir eine gute Saison gespielt haben, keine sehr gute", sagte er: "Für eine sehr gute hätten wir in der Champions League und im Pokal ein bisschen weiterkommen müssen. Das, was der FC Bayern als Mindestziel ausgibt, haben wir hundertprozentig erreicht." Bayerns Titel-Verteidigung.
Hoeneß-Rüffel für Niklas Süle
Niklas Süle wird bei der Schalen-Jagd in der Saison 2022/23 nicht mehr als Bayern-Profi dabei sein. Der Bald-Dortmunder verzichtete auf das letzte Spiel in Wolfsburg (2:2) freiwillig, was ihm noch einen Hoeneß-Rüffel einbrachte. "Das spricht nicht gerade für den Spieler. Er spricht von Wertschätzung, die hat er dem Verein nicht entgegengebracht. Ich fand diese Aktion katastrophal. Und die Märchen, dass er in Dortmund weniger verdient als in München, die könnt ihr alle vergessen!"