Bayerns Rückspiel-Plan gegen PSG: Vom Wucher zum Wunder?
München - Hansi Flick hatte die Hände tief in den Taschen seiner Winterjacke vergraben, sein Blick wirkte entschlossen. Der letzte Eindruck, den der Chefcoach hinterließ, bevor er als letzter Vertreter des FC Bayern das wilde Schneetreiben im Innenraum verließ und im warmen Bauch der Allianz Arena verschwand, war ein äußerst kämpferischer.
"Wir wollen ins Halbfinale, daran ändert auch dieses Ergebnis nichts", sagte der 56-Jährige nach der 2:3-Niederlagegegen Paris Saint-Germain bei Sky mit Blick auf das Viertelfinalrückspiel am Dienstag und fügte mit fester Stimme hinzu: "Wenn man unser Spiel gesehen hat, kann man positiv nach Paris schauen. Wir werden da alles versuchen." Teil eins des Wiedersehens mit dem vormaligen Finalgegner war für Flick und Co. 227 Tage nach dem großen Champions-League-Triumph der Bayern alles andere als nach Wunsch verlaufen. Aufgrund einer schier indiskutablen Abwehrleistung und nahezu verschwenderischem Umgang mit den eigenen Tormöglichkeiten konnten sie die Pariser Revanche nicht verhindern.
Flick: "Die Effizienz war nicht gut"
Der Münchner Lauf von zuvor 19 ungeschlagenen Champions-League-Spielen in Folge endete mit der ersten Niederlage unter Flicks Regie in der Königsklasse überhaupt. Und das, obwohl die Bayern sich 31 (!) Torabschlüsse, ein Eckenverhältnis von 15:1 herausgespielt und einen 0:2-Rückstand zwischenzeitlich wieder ausgeglichen hatten. "Die Art und Weise wie wir Fußball gespielt haben, war beeindruckend. Klar hätten wir gerne ein anderes Ergebnis gehabt. Vor dem Tor war es nicht so entschlossen, wie wir das normal können. Die Effizienz war nicht gut", analysierte Flick, "aber trotzdem bin ich mit der Leistung der Mannschaft sehr zufrieden. Sie gibt sich nie auf, das ein großer Pluspunkt."
Thomas Müller sah das ähnlich. "Wir müssen deutlich mehr Tore machen. Wenn es 5:3 oder 6:3 ausgeht, kann sich auch niemand beschweren", sagte der Vize-Kapitän, der seine Mitspieler gewohnt lautstark auf dem Platz dirigierte und nach Eric Maxim Choupo-Motings Anschlusstor (37.) den Treffer zum 2:2 (60.) per Kopf markierte. "Wir haben uns das Ei jetzt selbst ins Nest gelegt und müssen dem Rückstand hinterherlaufen", sagte Müller, "wenn wir den Killerinstinkt an den Tag gelegt hätten, der uns oft auszeichnet, hätten wir ein ganz anderes Spiel gesehen. Wir haben sehr viele große Chancen liegenlassen."
Matthäus: "Bayern hat noch eine große Chance im Rückspiel"
Das Fehlen von Weltfußballer Robert Lewandowski (Knie) schmerzte da besonders. Sky-Experte Lothar Matthäus mutmaßte: "Lewandowski hat wahrscheinlich zu Hause in die Couch gebissen, dass er nicht dabei sein konnte." Zumal der Toptorjäger machtlos am Fernseher mitansehen musste, wie die PSG-Superstars Neymar und Kylian Mbappé (Matthäus: "Hat wieder seine Weltklasse gezeigt") ihre wenigen Möglichkeiten (sechs) eiskalt ausnutzten. "Das war vor allem die Effizienz, die am Ende den Ausschlag gegeben hat", sagte Doppelpacker Mbappé: "Wir haben fast bei allen Chancen getroffen und hinten raus ein bisschen Glück gehabt. Aber noch ist nichts gewonnen." Die "L'Equipe" schrieb passenderweise vom "perfekten Verbrechen", das PSG gelungen ist. Matthäus glaubt aber, "dass Bayern eine große Chance hat im Rückspiel. Paris muss einen richtig guten Tag haben, das Glück werden sie beim nächsten Mal nicht haben."
Oliver Kahn glaubt fest an das Wunder
Die Statistik spricht aber nicht mehr unbedingt für Bayern. Nach einer Heimniederlage mit einem Tor kamen in der Königsklasse bislang nur vier Teams weiter, bei einem 2:3 zu Hause noch gar keines. Allerdings verspielte eine Mannschaft sogar schon einmal einen Zwei-Tore-Vorsprung nach einem Auswärtssieg noch und schied aus: Paris Saint-Germain in der Saison 2018/19 gegen ManUnited (2:0 und 1:3). Schaffen es die Bayern nun also vom Wucher zum Wunder? Oliver Kahn glaubt fest daran. "So ist das im Fußball: Die Mannschaft hat sich nicht belohnt und Paris - brutalst-effektiv", sagte der Vorstand noch in der Nacht zu Donnerstag in einem Instagram-Video und schickte gleich eine Mia-san-mia-Botschaft hinterher: "Aber wir sind Bayern München und es gibt noch ein Rückspiel. Und dann schauen wir mal." Er hätte auch einfach sagen können: Weiter, immer weiter!