Bayerns Problem mit Robben
Sky-Kommentator Marcel Reif über die schwierige Hinrunde des FC Bayern und den weiteren Saisonverlauf in der Bundesliga.
AZ: Herr Reif, Sie sind ja schon ein paar Jahre Fußballkommentator. Aber haben Sie so eine Hinrunde schon einmal erlebt?
MARCEL REIF: Nein, das war die verrückteste Hinrunde seit Langem. Das ist ja eine Epidemie bei den vermeintlich großen Vereinen wie Bayern, Schalke und Bremen. Es gibt viele Argumente, sie sind bei einzelnen Clubs auch nachzuvollziehen. Dass es bei so vielen kollektiv in den Wahnsinn gegangen ist, ist sicher das Überraschendste.
Woran liegt das beim FC Bayern?
Einerseits die Weltmeisterschaft, dann die Saison mit all den Spielen. Wobei das gar nicht körperlich so furchtbar anstrengend war, obwohl die Zeit zur Vorbereitung und zur Regeneration kurz war. Aber vor allem im Kopf kostet das Kraft. Dritter zu werden bei der WM, das macht man nicht nebenher, genau so wie das Double zu holen und ins Champions-League-Finale zu kommen. Dann verliert man es auch noch, das tut weh.
In der Sommerpause keine Spieler zu verpflichten war rückblickend ein Fehler?
Das geben mittlerweile auch die Verantwortlichen zu, sie waren in diesem Punkt zu optimistisch. Und von einem Spieler wie Arjen Robben so abhängig zu sein, das ist schwierig.
Mario Gomez hat sich dafür in den Vordergrund gespielt.
Gomez musste sich auch erst beweisen. Nicht zuletzt beim Trainer.
In der Champions League sind die Bayern nach wie vor erfolgreich.
Die Gruppe war eine Luxus-Gruppe. Da konnten sie sich auf den Punkt genau konzentrieren, was in der Bundesliga nicht immer gelang. Normalerweise kann eine Spitzenmannschaft beides.
Schalke 04 hat zwar mit Spielern wie Raúl, Huntelaar und Metzelder groß eingekauft. Trotzdem läuft es nicht.
Die Mannschaft hat in der Vergangenheit von ihrer stabilen Defensive gelebt. Wenn man diese nun völlig auseinandernimmt - dass das nicht ohne Probleme läuft, kann ein C-Jugend-Trainer erklären.
Wieso tut das ein erfahrener Trainer wie Felix Magath?
Er hielt das offenbar für notwendig, um alte Strukturen aufzubrechen. Natürlich wächst das jetzt Stück für Stück zusammen, dann werden sie sich auf den Weg nach oben machen.
Dazu kommt die Champions League.
Natürlich ist das etwas Neues für so eine Mannschaft. Das muss man erst einmal können: Am Mittwoch gegen internationale Hochkaräter spielen und am Samstag dennoch gegen Gladbach gewinnen können.
Bei Wolfsburg ist man mit Platz 13 auch nicht zufrieden.
Wolfsburg zahlt weiterhin den Preis für diese deutsche Meisterschaft, zu der sie Felix Magath gepresst hat. Dann ist er gegangen. Seitdem ist Wolfsburg noch nicht wieder in der Wirklichkeit angekommen.
Kann Bremen den Abgang von Özil zu Real Madrid nicht kompensieren?
Es liegt nicht allein daran. Bremen hat viel Geld eingenommen und hat daraus für seine Verhältnisse zu wenig gemacht. Dann hat sich das ein bisschen verselbstständigt, und so waren die Leistungen auch. Für Bremen wird es einen richtigen Umbruch brauchen. Jedenfalls muss man sich auf absehbare Zeit erst einmal von größeren Plänen verabschieden.
Positive Überraschungen gibt es auch: Mannschaften wie Dortmund, Mainz, Freiburg oder Hannover.
Was bei Dortmund vor allem auf der wirtschaftlichen Seite geleistet wurde, verdient Respekt. Trotzdem hat man einen Plan, ein Konzept. Dortmunds Verantwortliche haben mit Jürgen Klopp einen Trainer geholt, der ihr Konzept mitmacht. Er ist der Übervater dieser jungen Trainergilde. Dutt, Tuchel, Klopp: Das sind die Trainer, die von vornherein wissen: Wir müssen aus dem vergleichsweise wenigen, was wir zur Verfügung haben, immer mindestens 100 Prozent rausholen.
Es fällt auf, dass vor allem Vereine oben stehen, die zusammen mit ihren Trainern langfristig planen.
Das liegt daran, dass sie sich gegenseitig vormachen, wie es gehen kann. Wenn Freiburg und Mainz anfingen, hektisch zu werden, weil es mit dem internationalen Geschäft nicht gleich klappt, dann müsste man die Verantwortlichen zum Arzt schicken. In Dortmund ist es etwas anders. Das Publikum ist leidensfähig und hat in den vergangenen Jahren sensationell mitgezogen, auch wenn es nichts zu gewinnen gab. Das erste Spiel, die 0:2-Niederlage gegen Leverkusen, sollte man nicht vergessen. Damals haben einige gesagt: Mit der Jugendmannschaft steigen wir ab.
Jetzt sind sie Erster mit zehn Punkten Vorsprung auf Mainz und Leverkusen. Kann die Konkurrenz Dortmund noch gefährlich werden?
Das kann nur Leverkusen sein, mit viel Optimismus. In der Rückrunde werden alle wieder halbwegs fit sein, die WM ist abgearbeitet – aber der Vorsprung von Dortmund scheint mir zu groß. Dann geht es darum: Wer kann da noch halbwegs Schritt halten?
Stürzt Stuttgart ab oder schaffen sie noch die Wende?
Das entscheidet sich in diesen Tagen. Wenn Trainer Bruno Labbadia das ganz schnell in den Griff kriegt, ist es gut. Sonst wird es schwierig. Sie haben nicht die Spieler für einen längeren Abstiegskampf, die können das nicht.
Wird sich die Tabellensituation in der Rückrunde normalisieren? Bayern und Schalke sind ja schon im Aufwind.
Mannschaften wie Mainz und Freiburg stehen ja vor allem deshalb so weit oben, weil ihnen die anderen etwas angeboten haben. Sie haben es nur endlich mal aufgehoben. Dennoch: Es fängt an, sich zu normalisieren, wenn Robben wieder da ist und alle Lorbeeren der WM an die Wand gehängt sind: Natürlich wird Bayern dann marschieren. Aber 14 Punkte auf Dortmund aufholen: Das glaube ich nicht.
Wenn es nicht mehr für die Meisterschaft reicht, dann wenigstens für die Champions League?
Ganz sicher. Alles andere wäre auch nicht akzeptabel. Darüber kann es auch keine Diskussion geben, sonst kann man den Laden dichtmachen.
Interview.: Christoph Landsgesell