Bayerns Gefühls-Thermometer
Wer hat Grund zur Bestlaune, wer ist im Stimmungshoch, wer im Zwiespalt? Wer geht womöglich schweren Zeiten entgegen und wer zählt zu den Schattenmännern? - Die AZ hat das Thermometer angelegt und die Gemütslage bei den Protagonisten gemessen.
Wenigstens schien ihnen daheim gleich wieder die Sonne. Die Bayern-Stars sind nach einer Woche im Trainingslager im spanischen Marbella zurück in München. Die ersten Hahnenkämpfe um die Stammplätze sind ausgetragen, Hierarchien haben sich verfestigt. Jetzt sollen sie Titel holen, am besten drei. Sagt sich so leicht. Aber Erfolg erfordert mehr als trainierte Wadln und die richtige Aufstellung. Die Einstellung ist entscheidend. Und da beginnt für manche das Problem. Denn die Gemütslage bei den Protagonisten reicht von überschwänglich bis unterirdisch. Die AZ hat beim FC Bayern das Gefühls-Thermometer angelegt hier die Ergebnisse.
Im Stimmungshoch: Die Bosse, Breno und der Beau
Luca Toni: Schlechte Laune lächelt der Bayern-Beau konsequent weg. Das Trainingslager - für den bulligen Italiener eine Qual - hat er überstanden. Jetzt ist er endlich fit. Und im Angriff gesetzt.
Karl-Heinz Rummenigge: Bei der Klinsmann-Verpflichtung hat er als Initiator sein Profil als Klubchef geschärft. Den neuen Trainer wird er aber nicht öffentlich schurigeln können wie zuletzt Hitzfeld.
Breno: Der brasilianische Neuzugang, gerade 18, taucht tief ein in die spannende, luxuriöse Bayern-Welt. Mama und Papa stehen ihm bei. Ein Teenager-Traum. Wenn der Verteidiger jetzt noch fit wird. . .
Lucio: Sein ärgster Feind, der deutsche Winter, verabschiedet sich bald. In Breno hat er noch mehr landsmannschaftliche Gesellschaft. Lucio hat Sonne im Herzen - und Chancen, Kapitän zu werden.
Uli Hoeness: Die Hitzfeld-Nachfolge geregelt (Klinsmann), die Bremer Rivalen geschwächt (Borowski): Der Manager ("Do the unexpected!" - mach' das Unerwartete) ist seiner Philosophie treu geblieben. Auch sein Trainingslager in Marbella war ein Erfolg. Alles prima - wäre da nicht der immense Druck, dass die Riesen-Investitionen in Titel münden müssen.
Ottmar Hitzfeld: Seine Demontage konterte er mit dem selbst bestimmten Ende seines Trainer-Jobs. Froh, dass es bald vorbei ist. Bis dahin aber unter Erfolgsdruck und permanenter Beobachtung.
Im Zwiespalt: Die Bald-Ruheständler
Oliver Kahn: Er hat mit 38 genug vom Fußball, freut sich auf seine letzten Titel. Klinsmann und Lehmann, seine ganz speziellen Freunde, kommen erst, wenn er weg ist. Das ist gut. Und trotzdem schlimm genug. Zumal der Hype um die künftigen Bayern den Glanz des Titanen der Gegenwart überstrahlt.
Sepp Maier: Kahns Trainer und großer Bruder im Geiste: Klinsmann (und Lehmann) schätzt er in etwa so wie Schnupfen. Der FC Bayern der Zukunft ist nicht mehr seiner. Drum darf er sich Freude, dass für ihn bald Schluss ist.
Marcell Jansen: Wer ganz unten war, der freut sich über jeden noch so kleinen Fortschritt. Jansen kann nach einer Knöchel-Operation erst in ein, zwei Wochen wieder voll trainieren. Eine Wohltat nach all der Reha. Ein Stammplatz ist so aber fern.
Hamit Altintop: Nach überstandener Meniskus-Malaise wieder fit - aber im Wartestand. Schwer für einen, der so ungeduldig ist.
Mark van Bommel: Geschätzte Führungskraft und gefragter Meinungsmacher. Noch. Dass Bayern in Borowski einen Stammplatz-Rivalen geholt hat, stimmt nachdenklich.
In schweren Zeiten - auf der Bank und im Schaufenster
Michael Rensing: Ist Gesprächsthema, ohne dass er spielt - und ohne, dass er's sein mag. Seit Klinsmann wackelt sein Status als Kahn-Nachfolger. Ein Torwart in der Schwebe.
Willy Sagnol: Jung-Ehemann mit Chef-Ambitionen: Der Vorstand hat ihm das Kapitänsamt zugesagt. Aber nicht mal bei Hitzfeld ist er unumstritten. Was soll dann erst bei Klinsmann werden? Dass der Franzose im Winter weg wollte, ist ein Indiz für seine Verunsicherung.
Bastian Schweinsteiger: Wie mag sich einer vorkommen, von dem Manager Hoeness sagt, er stünde "im Schaufenster". Gerät Schweini gar zum Sommer-Schnäppchen? Eine vermurkste Rückrunde könnte ihm mehr zusetzen als jede Zecke.
Ze Roberto: Hitzfeld hat ihn zurückgeholt zu Bayern. Bald aber kommt Klinsmann. Und auch Borowski. Der Brasilianer (33) biegt auf die Zielgerade seiner Karriere.
Jose Ernesto Sosa: Er weiß, dass es Zeit wird, die Mitläufer-Rolle zu verlassen. Und doch kommt er nicht in Tritt.
Franz Beckenbauer: Der Tod seines Freundes Rudi Houdek, die fiesen Nierensteine: Das Leben des Kaisers war schon heiterer. Ob der Matthäus-Freund ausgerechnet unter Klinsmann wieder neue Lust auf Bayern verspürt?
Andreas Ottl: Sein Vertrag wird verlängert, seine Einsatzchancen aber bleiben überschaubar.
Im Tief: Schattenmänner und Verschmähte
Daniel van Buyten: Er sagt, er will bei Bayern bleiben. Das freut am ehesten noch Ribery, dessen Dolmetscher der Belgier ja ist. Das Gefühl, als Verteidiger verzichtbar zu sein, schmerzt.
Christian Lell: Ermittlungen wegen Körperverletzung, dazu eine Strafanzeige und der Kummer über Freundin Sarah, die er - bislang vergeblich - zurückerobern möchte: Lell steckt im Gefühlschaos. Der drohende Verlust des Stammplatzes macht's gewiss nur schlimmer.
Jan Schlaudraff: Jawohl, er ist auch noch da. Sein Stammplatz liegt im Schatten der Stars; vor ihm stehen Klose und Toni. Eine Gemütsprobe.
Lukas Podolski: Rheinische Frohnatur? Eher ein bayerischer Patient). Zuletzt bremsten ihn die Chefs sogar schon im Training. Als gefallener Sommermärchen-Held erzielt er mehr Mitleid als Tore.
Michael Henke: Am Saisonende ist er seinen Job wohl los. Sein Freund Ottmar geht dann zum Fernsehen - und Henke bis dahin auf Gnadentour. Motivierend dürfte das kaum sein.
Bernd Dreher: Beschäftigt auf Abruf (siehe auch Henke). Nach zwölf Jahren im Klub droht dem Torwart(-trainer) ein bitteres Ende.
ps, ill, chp