Bayern verzweifelt am Jahrhundert-Sommer – und bleibt optimistisch

Der FC Bayern zeigt beim 1:1 gegen Gladbach seine "beste Saisonleistung", lässt aber erstmals Punkte liegen - Yann Sommer mit neuem Liga-Rekord.
von  Patrick Strasser
"Das kennt man ja schon, dass er gegen uns einen besonders guten Job macht", sagt Bayern-Stürmer Thomas Müller über Gladbach-Torwart Yann Sommer.
"Das kennt man ja schon, dass er gegen uns einen besonders guten Job macht", sagt Bayern-Stürmer Thomas Müller über Gladbach-Torwart Yann Sommer. © Sammy Minkoff

München - Rund eine Stunde nach Abpfiff setzte der Regen ein, es schüttete teils aus Kübeln. Vorbei war es mit dem lauen Spätsommerabend in München. Ein Abend, an den man sich nach dem 1:1 des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach in der Allianz Arena vor allem an einen erinnern wird: an Yann Sommer, den Torhüter der Gäste, diesen Teufelskerl in einem Gummikörper, ausgestattet mit - gefühlt - zig Armen.

35 Torschüsse - Und trotzdem nur ein Unentschieden

Mit sagenhaften 19 Paraden stellte der 33-Jährige einen Liga-Bestwert (seit Beginn der Datenerfassung 1993/94) auf. Zuvor waren es lediglich 14 in einer Partie. Kein Wunder, dass die Bayern an diesem Jahrhundert-Sommer verzweifelten. Aber auch an ihrer Effizienz. 35 Torschüsse wurden gezählt, "das sollte normalerweise reichen für einen Sieg", stellte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zerknirscht fest. Sauertöpfisch gratulierten die Münchner dem Schweizer zu seiner überragenden Vorstellung.

Denn: Nagelsmann sah trotz der Kantersiege, dem 6:1 in Frankfurt oder dem 7:0 vor einer Woche in Bochum die "beste Saisonleistung meiner Mannschaft bisher" - erstmals gab man jedoch Punkte ab.

Verkehrte Welt bei Bayern: Drückend überlegen und noch zielstrebiger als zuvor bis auf den dicken Patzer von Verteidiger Dayot Upamecano, der zum 0:1 führte - aber ohne Killerqualitäten im Abschluss. "Es hat nur an der Chancenverwertung gemangelt", kritisierte Nagelsmann.

Später Ausgleich durch Leroy Sané

Und Sportvorstand Hasan Salihamidzic meinte: "Wir haben nicht ganz so viel Zielwasser getrunken." Lediglich der bissige und stark aufspielende Leroy Sané traf auf Vorlage des eingewechselten Jamal Musiala in der 83. Minute zum umjubelten (ja, verkehrte Welt in München!) Ausgleich.

Was aber hatte Sommer getrunken? Offenbar jenen speziellen Zaubertrank, wenn es gegen seinen Lieblingsgegner Bayern geht, letzte Saison kassierte er in drei Pflichtspielen gegen den Abo-Meister nur zwei Gegentreffer. Das kennt man ja schon, raunzte Thomas Müller, "dass er gegen uns immer einen besonders guten Job macht."

Yann Sommer fühlt sich wohl in Gladbach

Sommer sei "der beste Mann auf dem Platz gewesen - wie so oft gegen uns", meinte Nagelsmann bittersüß lächelnd. Der von Mitspielern und Fans gefeierte Sommer habe eine "Weltklasse-Leistung" gezeigt, würdigten ihn Gladbachs Trainer Daniel Farke und Sportdirektor Roland Virkus.

Letzter muss nicht mehr viel Überzeugungsarbeit leisten, damit Sommer seinen Vertrag über 2023 hinaus demnächst verlängert. "In den nächsten Tagen werde man sich zusammensetzen", sagte Sommer, "dann informieren, wenn es etwas gibt. Gladbach ist zu einer Familie für mich geworden. Es macht sehr viel Spaß, hier zu arbeiten." Konnte man sehen. Er sei eben "bei so viel Arbeit in einen Flow gekommen".

Jetzt geht es in die englischen Wochen

Die Bayern dagegen haderten. Sie wurden im Grunde erstmals von einem Gegner, ihrem Angstgegner (nun vier Pflichtspiele in Serie ohne Erfolg), richtig gefordert in dieser Saison - und konnten nicht gewinnen. "Je länger das Spiel aus ist, umso unzufriedener bin ich", sagte Müller mehr als eine Stunde nach Abpfiff und betonte mit Blick auf die nun beginnenden englischen Wochen mit den Highlights der ersten beiden Champions-League-Gruppenspiele bei Inter Mailand (7. September) und gegen den FC Barcelona mit Ex-Mittelstürmer und Torgarant Robert Lewandowski (13.9.): "Es liegt Arbeit vor uns."

Als nächstes warten Viktoria Köln und Union Berlin

Etwa, um eine Lösung zu finden, wenn man wie in der Endphase gegen Gladbach meist über Flanken operiert - und sich Innenverteidiger Matthijs de Ligt als Not-Stoßstürmer beweisen muss. Dennoch: "Wenn wir so weitermachen, schießen wir viele Tore", sagte Nagelsmann. Laut Salihamidzic sei die Mannschaft "heiß, ihre Energie beeindruckend". Was am Mittwoch Drittligist Viktoria Köln im Pokal und am Samstag der Überraschungszweite Union Berlin zu spüren bekommen soll.

Dauer-Optimist Müller sagte kämpferisch: "Wenn wir so spielen, wird es nicht viele Gegner geben, die gegen uns einen schönen Nachmittag haben."

Hat ja nicht jeder einen solchen Super-Sommer, einen Jahrhundert-Sommer.

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