Bayern unterliegen Schalke: "Das hat was von Agonie"

MÜNCHEN - Der FC Bayern verliert zu Hause 0:1 gegen Schalke 04 - und allmählich auch den Glauben an den Titel. Franz Beckenbauer ruft Platz zwei als neues Saisonziel aus.
Es war das Häuflein der vier Aufrechten, das nach getaner Tat auch noch die letzte Pflicht erfüllte. Schleppenden, frustrierten Schritts zogen Mark van Bommel, Ze Roberto, Martin Demichelis und Tim Borowski vor die Fans der Südkurve, um ihnen müde applaudierend für die Unterstützung zu danken. Die Antwort der Hardcore-Fans fiel einstimmig und durchaus vernehmbar aus: "Klinsmann raus!"
Es hatte dieses Mal eine ganze Weile gedauert, bis die Raus-Rufe kamen. Länger als bei den letzten Heimspielen. Zunächst nahmen sich mal wieder die sehr sangesfreudigen Gäste-Fans des Themas an, bis irgendwann Mitte der zweiten Hälfte die Südkurve dann einstimmte. Ein anschwellender Bocksgesang bis hin zur 90. Minute. Drei Silben, die nicht nur den vier Aufrechten vor der Kurve in den Ohren klingelten.
"Wir sind ja bescheiden geworden beim FC Bayern."
Mit der 0:1-Heimniederlage des FC Bayern gegen Schalke 04 flammt die kaum verstummte Diskussion um die nähere Zukunft des Trainers Klinsmann wieder auf. Präsident Franz Beckenbauer sagt im Fernseh-Studio: "Man kann noch so viel Ruhe ausstrahlen - es fehlen halt die Ergebnisse." Und ein Ergebnis könnte seiner Ansicht nach diese Saison schon vorzeitig beenden: "Wenn Wolfsburg morgen in Cottbus gewinnt, sind es sechs Punkte Vorsprung, dann kann man Wolfsburg zur Meisterschaft gratulieren. Dann muss man sich auf Platz zwei konzentrieren. Der ist ja auch was Wert. Die Meisterschaft ist ja jetzt nicht das Ziel aller Träume, sondern dabei zu sein in der Champions League, und dazu genügt ja auch platz zwei. Wir sind ja bescheiden geworden beim FC Bayern." Er hat dann noch ein bisschen gelacht über diesen komischen letzten Satz, aber das war wohl mehr aus Verlegenheit. Premiere-Mann Marcel Reif brachte es auf den Punkt: "Das hat was von Agonie."
Fast die komplette Spielzeit über verbrachte Klinsmann ganz vorn in der Coaching Zone, die Hände meist in die Hüfte gestützt. Als auch noch Franck Ribery nach 76 Minuten gelb-rot sah, war seine Fassungs-, Regungs- und Ratlosigkeit fast mit Händen zu greifen: "Jetzt fehlt mir auch noch der Ribery!", schien er zu sagen. Doch auch dem Franzosen war an diesem sommerlichen Nachmittag recht wenig gelungen. In Halbzeit eins war er neben dem Totalausfall Luca Toni die einzige Offensivkraft; erst nach der Pause durfte Lukas Podolski mittun - was aber auch nicht weiter auffiel. Sosa hatte den Vorzug vor Schweinsteiger erhalten, doch nach ein paar guten Szenen zu Begin verflachte das Spiel des Südamerikaners zusehends. Um ein Haar wäre ihm ein prima Freistoßtor geglückt, doch in Minute 37 landete sein Schuss nur auf der Querlatte.
"Die Leistung ist gar nicht so schlecht. Das Ergebnis ist scheiße."
Zum 15. Mal in dieser Saison war der FC Bayern in Spiel 29 in Rückstand geraten. Nach einer Schalker Ecke in der 21. Minute sahen Demichelis und Ottl dem Kollegen Halil Altintop zu, der den auf der Linie verharrenden Keeper Butt überwinden konnte. Zur Überraschung aller sollte es das einzige Tor der Partie bleiben - der vierte Schalker Sieg in Folge war perfekt. Gerettet am Ende von einer Parade Manuel Neuers, der in der letzten Sekunde einen Gewaltschuss des eingewechselten Hamit Altintop über die Latte lenkte, vor den Schalker Block stürmte und wie einst Oli Kahn die Eckfahne bejubelte.
Es war kein schönes Spiel, eher ein verbissen geführtes, geprägt von heftigen Zweikämpfen der Pärchen Rafinha/Ribery und Van Bommel/Jones, die zu zwei gelb-roten Karten (Ribery und Jones) und fünf weiteren gelben Karten führten. Bayern tat sich schwer, "spielerisch die Linie zu bekommen", wie Klinsmann später treffend analysierte. Sein Kapitän sah es etwas anders: "Die Leistung ist gar nicht so schlecht. Das Ergebnis ist scheiße." Es klang fast trotzig. So wie Klinsmann sieht er aber immer noch Chancen auf den Titel: "Vorbei ist es nie." Und wie man es noch schaffen könnte, weiß Mark van Bommel auch: "Es liegt nicht nur an Jürgen Klinsmann. Sondern an uns allen."
Thomas Becker