Bayern: Titeldrängler auf der Überholspur

Nur noch zwei Punkte Rückstand: Bayern kann nächste Woche Erster sein. Van Bommel sieht „einen Lauf“. Beckenbauer witzelt: „Vielleicht liegt’s ja auch daran, dass ich nimmer da bin.“
von  Abendzeitung
„Wir haben jetzt eine Einheit im Verein.“ Sagte Präsident Hoeneß, die Mannschaft zeigt es.
„Wir haben jetzt eine Einheit im Verein.“ Sagte Präsident Hoeneß, die Mannschaft zeigt es. © Perenyi/Augenklick

Nur noch zwei Punkte Rückstand: Bayern kann nächste Woche Erster sein. Van Bommel sieht „einen Lauf“. Beckenbauer witzelt: „Vielleicht liegt’s ja auch daran, dass ich nimmer da bin.“

BOCHUM Philipp Lahm gab Interviews am Kabinenausgang des Bochumer Rewirpowerstadions, da war es etwa 18 Uhr am Samstag. Nein, das bedeutete nicht, dass der Zustand des FC Bayern schon wieder besorgniserregend war und er eine mediale Rundumwarnung aussprechen musste. Im Gegenteil. Lahm lobte. In einer Tour.

„Wir sind jetzt eine Mannschaft auf dem Platz. Die Spieler wollen den Ball und vorne treffen die Stürmer. Wir haben viel Sicherheit und wenn wir mal 1:0 führen, wird’s schwer gegen uns.“ Anfang November, damals war Lahm in einem Interview als Unternehmensberater aufgetreten, hatte er den Verein noch argumentativ eingetütet, nun hat sogar er, der Arbeitgeberkritiker, eine gewisse Höhe. In dem er das 5:1 beim VfL Bochum klein redete: „Das Spiel war nicht perfekt. Wir können noch besser spielen – das ist ganz klar.“ Als Lahm sprach, kam auf dem Weg zum Mannschaftsbus ausgerechnet Trainer Louis van Gaal vorbei. Er zeigte auf Lahms Turnschuhe, flüsterte ihm zu: „Am Boden!“ Lahm grinste, schmunzelte, ja, er lachte sogar. Was war das denn? Am Boden? Lahm: „Das bedeutet: Nicht abheben!“

Haben sie aber schon. Zumindest angesetzt zum Überholmänover. Wäre die Bundesliga eine Autobahn, die Bayern würden derzeit – ganz legal freilich – ihre Rivalen mit Bleifuss auf der linken Spur überholen. Die Bayern sind Dritter. Leverkusen, nur noch zwei Punkte vorne, sitzen sie schon im Kofferraum. Ein weiterer Verbremser wie deren 2:2 in Berlin (Sportdirektor Christian Nerlinger: „Eine Steilvorlage“) und der FC Bayern schert in der letzten Kurve vor der Winterpause wohl doch noch scharf vorbei, parkt an Weihnachten auf Platz eins.

Herbstmeister nach diesem Saisonverlauf? Als er noch Manager war, hatte Uli Hoeneß nach einem 0:0 in Stuttgart, auf Platz 6 liegend, den Mund ziemlich voll genommen, nun könnte seine Prognose – da er sich jetzt zu einem gemäßigten Präsidenten gewandelt hat – tatsächlich eintreten. „Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben“, sagt er. Er lächelt dabei verschmitzt.

Die Abteilung Attacke steht neuerdings auf dem Rasen, siehe Gomez, siehe Olic (lesen Sie Seite 27) und sie sprudelt aus dem Mund der Spieler. „Schade, dass jetzt bald Winterpause ist. Wir haben einen Lauf“, sagte Kapitän Mark van Bommel, „wir wollen so schnell wie möglich auf Platz eins. Die Herbstmeisterschaft ist aber nicht unser Hauptziel, das ist die Schale. Das dauert noch ein paar Monate.“ Sie drängeln. Sie sind die Titeldrängler.

Und das mit Spaßfußball wie beim 4:1 in der Champions League in Turin. „Mannschaft und Trainer sind zusammengewachsen. Wir haben mehr Selbstvertrauen, so spielen wir auch Fußball“, freute sich Hoeneß. Nerlinger konstatierte: „Wir haben es nun wieder in der eigenen Hand, die Deutsche Meisterschaft zu holen. Es steckte sehr viel FC Bayern in diesem Sieg.“

Dabei kam einiges zusammen. Bemitleidenswert hilflose Bochumer und eine Serie. Die Präsidenten-Serie. Drei Spiele, drei Siege gab es seit der Wahl auf der Jahreshauptversammlung am 27. November in der Liga, als Zugabe das Turin-Spektakel. Die Sache hat zwei Seiten: Man könnte sagen: Seit Hoeneß Präsident ist, gewinnen die Bayern alles – oder seit er nicht mehr Manager ist. Dazu ein echter Beckenbauer, mittlerweile Ehrenpräsident: „Vielleicht liegt’s ja auch daran, dass ich nimmer da bin.“

Patrick Strasser

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