Bayern-Star Schweinsteiger: Seine neue Rolle
MÜNCHEN Beim Titeltor mit der Hacke trug Bastian Schweinsteiger Handschuhe. Wie gut, dass an jenem kalten, verschneeregneten Samstag in Frankfurt nicht schon die Schale überreicht wurde – die Bayern-Profis hätten sie im Anorak entgegengenommen.
Es war der 6. April, als die Bayern durch das 1:0 von Schweinsteiger bei der Eintracht (sein bis heute letzter Treffer im Bayern-Trikot) durchs Ziel gingen. Hacke, Spitze, Meister! Der 23. Titel war eingesackt, so früh im Jahr wie nie, so zeitig wie nie, am 28. Spieltag. Für Schweinsteiger war es die sechste Meisterschaft – und doch nur der Anfang zum historischen Triple-Erfolg.
Diesen Samstag, 133 Tage später, spielen die Bayern wieder in Frankfurt (15.30 Uhr, Sky live), es soll bis zu 28 Grad warm werden. Für Schweinsteiger eine Rückkehr sowie Alltag: sein 301. Bundesligaspiel – und doch ist vieles anders, ganz neu. Nicht nur sein Trainer Pep Guardiola.
Die AZ zeigt, was in den über vier Monaten alles in der Karriere des 29-Jährigen passiert ist und wie sich der Vize-Kapitän der Bayern neu definieren muss.
Seine neue Rolle: Unter Triple-Trainer Jupp Heynckes hatte Schweinsteiger stets den kopfballstarken Abräumer Javi Martínez im defensiven Mittelfeld an seiner Seite. Nun ist Schweinsteiger allein, da Guardiola mit nur einem Sechser plant. „Guardiola wird ganz sicher nicht mit einer Doppel-Sechs spielen”, sagte Lothar Matthäus der AZ, „Bastians Rolle erinnert mich ein bisschen an meine Position vor 15 Jahren beim FC Bayern – quasi als Spieleröffner zwischen den beiden Verteidigern.” Schweinsteiger muss nun defensiver denken, eine Art Libero vor der Abwehr geben.
Seine neue Herausforderung: Er war der uneingeschränkte Leader des Triple-Siegers, führte mit dem eher introvertierten Philipp Lahm die Mannschaft. Guardiola forderte jedoch vehement eine Mittelfeld-Verstärkung („Thiago oder nix!”) und bekam auf die Schnelle den Spanier vom FC Barcelona. Zunächst agierte Thiago auf der Sechs, Schweinsteiger im halbrechten Mittelfeld. Doch mittlerweile hat er seinen Stammplatz zurück. „Er braucht auch noch Zeit”, sagt Guardiola. Zeit – das entscheidende Kriterium. Der Coach gibt Schweinsteiger die Freiheit, völlig fit zu werden.
Sein neuer Input: Mit dem 68-jährigen Heynckes hatte Schweinsteiger eine Vertrauensperson, einen verlässlichen Partner als Trainer, der nicht mit System- oder Aufstellungsfragen überraschte. Mit Pep kamen Gerüchte, der neue Coach, nur 13 Jahre älter als Schweinsteiger, wolle ganz auf ihn verzichten. Diese räumte Guardiola in einem persönlichen Gespräch unter vier Augen beim Italiener „Seerose” in Schwabing aus. Mittlerweile schwärmt Schweinsteiger: „Seine Ideen sind unglaublich. Wenn wir die umsetzen können, werden wir es noch einfacher haben, Spiele zu gewinnen. Er ist ein Trainer, der ganz genau weiß, was die Spieler fühlen und denken.”
Seine Fitness: Beim Länderspiel gegen Paraguay (3:3) fehlte Schweinsteiger nach Absprache, schon das zwölfte DFB-Testspiel hintereinander, das er verpasste. Am 3. Juni, zwei Tage nach dem Pokal-Triumph von Berlin, dem Deckel aufs Triple, musste er sich in Zürich am rechten Sprunggelenk operieren lassen – wenigstens konnte er sich das Zimmer mit Kumpel Felix Neureuther, dem Skistar, teilen. Dadurch verpasste Schweinsteiger den Trainingsauftakt, konnte im Trainingslager am Gardasee nur laufen und fand erst langsam Form und Rhythmus. „Es wird noch zwei bis drei Wochen dauern, bis ich in Top-Verfassung bin”, sagt er.
Seine neuen Ziele: Was bleibt nach dem Triple-Triumph? Sicher nicht nur die Einstellung eines Vereinsrekordes, der am Samstag möglich ist: zum 27. Mal in Folge ungeschlagen, wie 1989. Schweinsteiger, im August zu Deutschlands Fußballer des Jahres gekürt, sagt: „In diesem Jahr muss man aber noch härter arbeiten als im letzten Jahr, um die Titel zu verteidigen.” Die Champions League erneut gewinnen, das hat noch kein Team geschafft. Und am Saisonende steht die WM in Brasilien an – wenn das keine Ziele sind!
Am Montag kommt Schweinsteiger ins Kino. Er besucht die Weltpremiere von „Wembley – football is coming hoam”, einer Pott-Dokumentation. Mit ihm als Hauptdarsteller.