Bayern nach der Pleite: Die Wut-Bosse

Die AZ erklärt die Strategie von Hoeneß und Rummenigge. Boateng: 2 Spiele Sperre
Hannover - Auch am Tag danach hatten sich die Bayern-Bosse nicht beruhigt. Die Rote Karte für Jérome Boateng beim 1:2 am Sonntagabend in Hannover war schwerer zu verdauen als die Niederlage an sich.
Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge echauffierte sich auch nach einer Nacht Bedenkzeit weiter über den – aus Bayern-Sicht – Auslöser der Rudelbildung: Sergio Pinto. „Warum für die gleiche Sache Christian Schulz Gelb und Boateng Rot bekommen hat, verstehen wir nicht. Das ist nicht in Ordnung. Es kann nicht sein, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wurde”, sagte Rummenigge am Montag und forderte: „Es kann also nur einen Freispruch geben.” Die Regel besagt, dass ein Spiel Sperre nach einer Tatsachenentscheidung obligatorisch ist, lediglich die Länge der Zwangspause ist Verhandlungsmasse. Am Nachmittag erfolgte das Urteil des Kontrollausschusses des DFB: Zwei Spiele Sperre. Damit fehlt Boateng gegen Nürnberg am Samstag und in Augsburg (6. November). Die Bayern haben die Sperre wohl deshalb zähneknirschend akzeptiert, weil der Innenverteidiger damit beim Revanche-Duell mit Meister Dortmund in München (19.11.) dabei sein kann.
Während Trainer Jupp Heynckes sich lediglich mit dem Vierten Schiedsrichter etwas kabbelte und der Rest der Mannschaft relativ cool blieben, rasteten die Bosse Rummenigge und vor allem Präsident Uli Hoeneß nach Studium der TV-Bilder kräftigst aus. Von einer „Schande” (Rummenigge) war die Rede, Hoeneß ging ganz gezielt auf Pinto los. Nachdem er aus der Kabine kam, stellte er sich zu den Journalisten und schickte seiner Schimpftirade vor: „So, und und jetzt muss ich mal was sagen.” Und zwar: „Der Pinto schauspielert seit Jahren, der gehört nach Los Angeles zur Oscar-Verleihung.”
Wutrede mit Kalkül
Eine Wutrede mit Kalkül, eine gezielte Provokation. Denn Hoeneß hatte nicht sofort vom Weg runter von der Tribüne in die Kabine gesprochen, sondern erst nach einem Meinungsaustausch mit dem Vorstand sowie eines Besuchs in der Schiedsrichterkabine. Denn sie wissen ganz genau, was sie tun, die Wutbosse. Allen voran Präsident Provokation.
Sergio Pinto darf nun von sich behaupten in einer elitären Auswahl zu stehen: Christoph Daum, Willi Lemke, Ralf Rangnick, Lothar Matthäus, Hellmut Krug, um nur einige zu nennen, die Hoeneß’ Zorn traf. Zuletzt Louis van Gaal und Jürgen Klinsmann. Doch das war eine interne Fehde.
Wenn Hoeneß auf einen Trainer oder Spieler eines Konkurrenten losging, hatte das stets mehrere Gründe. Die Emotionen klar. Obwohl schon seit 1979 (Hoeneß) sowie 1989 (Rummenigge) nicht mehr aktiv, leiden sie auf der Tribüne mit wie Mannschaftsmitglieder. Fühlen sie sich und den FC Bayern, ihre Familie, ungerecht behandelt, leidet die Diplomatie. Und drittens: Wer wie Pinto die Bayern ärgert, soll die Nachwirkungen spüren. Mit dem Vorwurf der Schauspielerei ist Pinto vorerst gebrandmarkt. Die Schiedsrichter der nächsten 96-Spiele sind nicht zu beneiden. Und das Opfer der Attacken möglicherweise verunsichert, was Hannover, als Vierter im Konkurrentenblickfeld, praktischerweise schwächen könnte. Denn: Nur wer ernst genommen wird, bekommt eine Breitseite.
Pinto rechtfertigte sich am Montag: „Ich kriege als Spieler auch viel ab. Wer mich gut kennt, weiß, dass ich kein Schauspieler bin. Ich kann nichts dafür. Jetzt werde ich als Buhmann hingestellt.” Immerhin: Seine Popularität ist gestiegen