Bayern kriegt "auf die Fresse"
MAINZ Philipp Lahm und Thomas Müller waren die Einzigen. Machten nach dem 2:3 die paar Extra-Meter zu den Fans und hatten dann einen langen Weg Richtung Kabine. Ein bitterer Marsch – und viel zu bereden. Am vergangenen Spieltag hätten sie mit acht Punkten Vorsprung auf Dortmund wegziehen können – und nun? Platz drei, erstmals seit 92 Tagen nicht an der Spitze. Mario Gomez knapp und deutlich: „Wir haben heute auf die Fresse bekommen.” Sportdirektor Christian Nerlinger sprach weniger griffig vom „negativen Trend in der Liga. Wir haben drei der letzten fünf Spiele verloren. Tatsache ist, dass sich das in der Tabelle niederschlägt.”
Eigentlich war das 2:3 des Spitzenreiters beim Tabellensechzehnten eine unterhaltsame Angelegenheit – solange man Mainz-Fan oder Anhänger der Chaos-Theorie ist. Kein Wunder, dass die zuletzt noch Hochgelobten nach dem finalen Pfiff fluchtartig das Feld räumten. Auch Trainer Jupp Heynckes sagte nichts, allerdings wegen einer Grippe-Erkrankung. So ergriff an seiner Stelle Sportchef Christian Nerlinger das Wort: „Das war nicht ausreichend, wie wir heute in die Partie gegangen sind. Die Mannschaft muss das Grundlegende wieder zeigen: Laufbereitschaft, Aggressivität, Kompaktheit, das Verhindern von Chancen – dies alles ist uns heute nicht gelungen. Das war über 90 Minuten zu wenig. Da müssen wir uns anders präsentieren. Die Mannschaft wird bis zum Winter ein Zeichen setzen." Ob dies auch Uli Hoeneß in der Halbzeit tun wollte, blieb unklar. Während „Sky” einen Kabinenbesuch des Präsidenten vermeldete, meinte Toni Kroos: „Das kann ich nicht bestätigen.”
Wie auch immer: TV-Experte und Ex-Bayern Ottmar Hitzfeld kam zu einer ähnlichen Analyse wie Nerlinger: „Die Bayern sind es nicht mehr gewohnt, einem Rückstand hinterherzulaufen. Es ist auch nicht bayern-üblich nach einer Niederlage (0:1 gegen Dortmund, d. Red.) keine Reaktion zu zeigen. Es ist doch erstaunlich: Zuvor haben sie ruhig ihr Spiel gespielt, jetzt werden sie bei Gegentoren nervös.” In der Tat brach nach den Treffern von Andreas Ivanschitz (11.), Marco Caligiuri (65.) und Niko Bungert (74.) die gestern ohnehin nur selten vorhandene Ordnung der Münchner gänzlich auseinander. Mainz kaufte den Bayern mit allen Mitteln, die Nerlinger bei seinem Klub vermisste, Schneid und Bälle ab.
Hitzfeld fand eine Erklärung: „Wenn eine Mannschaft immer gelobt wird – und es sah ja auch alles perfekt aus, das Positionsspiel war phantastisch -, dann ist das sehr gefährlich. Diese Frühform birgt eben auch Gefahren.” Da war er sich schon wieder mit Nerlinger einig, der sagte: „Dortmund hatte bereits seinen Tiefpunkt. Wir haben nun unsere schwierige Phase.”
Auch der vermeintliche Kabinengast Hoeneß sieht Dortmund auf dem aufsteigenden Ast. „Die werden auf jeden Fall wieder ein absoluter Kandidat sein.” Auch die andere Borussia aus Gladbach schätzt er stark ein: „Ich habe nicht erst seit gestern das Gefühl, dass sich Gladbach sehr stark stabilisiert hat”, hatte er am Samstagabend im „ZDF-Sportstudio” gemeint, „das könnte so eine Überraschungsmannschaft sein wie das schon öfter passiert ist: Wolfsburg vor zwei Jahren oder Kaiserslautern mal.” Nun liegen beide Borussias schon vor den Bayern.
Bezeichnend auch, dass beide Bayern-Treffer auf das Konto von Innenverteidiger Daniel van Buyten gingen. Bis auf den agilen Franck Ribery war von Bayerns Offensive wenig zu sehen. Thomas Müller blieb auf dem Feld viele Antworten schuldig und meinte hinterher knapp: „Wenn man die Tabellenführung hergibt, dann ist das mit Sicherheit ein Tiefpunkt.” Auch Philipp Lahm fasste sich kurz: „Wenn man nur teilweise Fußball spielt, dann verliert man halt.”