Bayern-Gegner Wolfsburg: Die Rückkehr des Hausherrn
Am Samstag kommt „Zwetschge“ Misimovic, in Wolfsburg zum vielleicht besten Vorbereiter der Liga mit Vollstrecker-Qualitäten gereift, wieder nach München. Später will er gern länger bleiben.
WOLFSBURG Die Handgreiflichkeiten beim Meister, sie sind das Thema der Woche beim VfL Wolfsburg, dem nächsten Bayern–Gegner. Zvjezdan Misimovic, genannt „Zwetschge“, der Spielmacher der Wölfe, hatte gemeinsam mit den Kollegen Marcel Schäfer, Grafite und Alexander Madlung alle Hände voll zu tun, um die Keilerei zwischen Edin Dzeko und Karim Ziani zu schlichten. Empfindliche Störungen im Wolfsburger Wohlfühlklima, die auch schon beim 2:4 am Wochenende gegen den HSV offenbar wurden und die einer wie Misimovic sehr wohl registriert. „Wir waren gar nicht auf dem Platz. So brauchen wir nicht nach München fahren."
Das Spitzenspiel in der Allianz Arena ist für den in München geborenen Bosnier etwas ganz besonders. SV Nord Lerchenau, TSV Forstenried und Gartenstadt Trudering waren seine ersten Vereine, als 14-Jähriger wechselte er zum FC Bayern. Und war alsbald als Ausnahmetalent ausgemacht, der sich in die Obhut von Hermann Gerland begab. Der Schleifer, jetzt Co-Trainer von Bayerns Chefcoach Louis van Gaal, schimpfte ständig über den seiner Ansicht nach zu fülligen und faulen Filigrantechniker, der zwar Leistungsträger der Amateure war, aber den Sprung zu den Profis nicht packte.
Viel zu oft hatte „Zwetschge" nach Ansicht von Gerland dafür einfach zu viel auf den Rippen. „Wenn er unter 80 Kilo wiegt, spielt er jeden auf der Welt her." Aber als die Waage mal bei 84,9 stand, musste sich Misimovic als „fette Sau" beschimpfen lassen. Und er erzählt auch, wie Gerland ihn, den Auswechselspieler, einst quer über den Platz anschrie: „Wer hat dem Dicken den Ball gegeben?"
Rückblickend schmunzelt „Zwetschge“ darüber: „Ich habe Gerland viel zu verdanken. Er war auch der Erste, der mir zur Meisterschaft gratuliert hat." Genau wie seine früheren Mitspieler Piotr Trochowski oder Paulo Guerrero wurde auch Misimovic erst in der Fremde glücklich, nachdem er sich über den VfL Bochum und vor allem in der Abstiegssaison 2007/2008 beim 1. FC Nürnberg einen Namen machte. „Der Erfolgsdruck ist bei Bayern enorm hoch, und man hat nicht die Zeit, die ein junger Spieler braucht, um sich zu entwickeln", sagt Misimovic, „selbst Philipp Lahm hat den Umweg über Stuttgart gebraucht."
Mittlerweile könnten die Münchner einen wie ihn gut gebrauchen – Misimovic ist in der Liga nicht nur der beste Vorbereiter, spielt famose Pässe und schlägt grandiose Standards, sondern selbst auch torgefährlich: In Bundesliga und Pokal gelangen ihm schon vier Treffer, darunter beim 2:0 gegen Stuttgart das erste Tor der neuen Saison.
Noch heute hat Misimovic ein Haus und gute Freunde in München – am Tag nach der Meisterfeier reiste er beispielsweise wieder dorthin. Und obwohl er kürzlich seinen Vertrag bei den ambitionierten Volkswagenstädter bis 2013 verlängerte (und damit in den Rang der Spitzenverdiener aufstieg), will er irgendwann wieder dauerhaft an die Isar zurückkehren. „München ist für mich die schönste Stadt der Welt." Trotz des derzeit etwas unschön wirkenden FC Bayern.
Frank Hellmann