Bayern-Gegner Neckarelz: „Wir werden so was wie Vestenbergsgreuth“

Sicher, Sensationen kann man nicht planen. Thomas Ulmer, der Präsident von Neckarelz, Gegner der Bayern am Sonntag im Pokal, ist dennoch zuversichtlich – und träumt schon vom Finalgegner.
AZ: Herr Ulmer, haben Sie Renate Lingor schon einen ausgegeben?
THOMAS ULMER:Das nicht, aber ich hab’ ihr einen Blumenstrauß geschickt.
Einen großen vermutlich.
Einen extragroßen. Dass sie uns die Bayern zugelost hat, das war wie Weihnachten, Ostern und ein Sechser im Lotto auf einen Schlag.
Und jetzt dreht der ganze Neckar-Odenwald-Kreis wohl durch.
Jaja, geht schon fleißig rund. Aber wir lassen uns nicht verrückt machen. Samstag gehen wir noch in ein Hotel, damit wir dann abgeschieden sind von der Welt. Wir sind ja ganz gut vorbereitet, und die Generalprobe ist ja auch geglückt, letzte Woche im Hoepfner-Cup.
Im bitte was?
Hoepfner-Cup. Der badische Verbandspokal.
Ach so.
10:0 haben wir da gewonnen, gegen den VfB Allfeld. Da haben wir uns schon mal warm geschossen für die Bayern.
Klingt recht selbstbewusst.
Sind wir auch. Warum sollen wir Neckarelzer nicht so was werden wie Weinheim und Vestenbergsgreuth. Da hat’s die Bayern auch schon bös’ erwischt. Mag schon sein, dass unsere Chancen eins zu hundert sind, aber das Spiel geht doch bei 0:0 los.
Könnte von Sepp Herberger sein, der Satz.
Ja, aber je länger wir das 0:0 halten, desto unruhiger werden die Bayern doch. War bei Sandhausen ja auch so.
Sandhausen.
Im Pokalfinale, wo wir uns für die Hauptrunde qualifiziert haben. Die sind immerhin Drittligist, da haben wir auch in der 40. Minute eins vorgelegt, danach war das Spiel gelaufen. Aber klar, die Bayern sind schon ein anderes Kaliber.
Anzunehmen. Immerhin sagte Louis van Gaal, Sie seien ihm wichtiger als Manchester und Mailand.
Liegt ja auf der Hand. Der Audi-Cup, das waren Testspiele, eine Show, gegangen ist es da um nichts. Gegen uns geht’s für die um richtig viel. Wenn sie rausfliegen, gut, dann können sie so die 20 bis 30 Millionen schon mal abschreiben, die sie sonst bis ins Finale gekriegt hätten. Für unsere Spieler wird das jedenfalls das größte Spiel ihres Lebens – und ich denk’ mal, für die meisten bleibt’s wohl auch ein einmaliges Erlebnis.
Was machen die denn eigentlich beruflich so, Ihre Spieler?
Der eine ist Autoschlosser, der andere, der ist ein Kosovo-Albaner und Metallbauer. Wir haben einen Haufen BWL-Studenten, und ein paar machen noch ihr Abitur. Ich sag’ immer, dass man das durchaus durchhält, dass man untertags was schafft und abends trainiert. Als Vorbild hab’ ich da immer den Josef Kapellmann gehabt, kennen Sie den noch?
Aber sicher. Wir in München nannten ihn auch Jupp.
Der war Nationalspieler und hat Medizin studiert, das zeigt, dass vieles geht. Ich mach’ das ja genauso. Ich bin ehrenamtlich Präsident vom Verein, hab’ eine Arztpraxis und bin auch noch EU-Abgeordneter. Wenn man richtig arbeiten will, dann funktioniert das auch.
Wie haben denn die Kollegen im Parlament und den Ausschüssen auf die Auslosung reagiert?
Die haben mir alle gratuliert.
Wird denn in Straßburg und Brüssel viel gefachsimpelt?
Natürlich. Sitzen ja auch viele Experten drin. Mit dem Gianni Rivera hab’ ich neulich zum Beispiel geplaudert, der sitzt bei mir im Arbeitskreis.
Der frühere Weltstar vom AC Milan?
Der ist ja auch Abgeordneter, genau wie der Cousin vom Ruud van Nistelrooy.
Ach.
Jaja, der Lambert van Nistelrooy. Ist für die holländischen Konservativen im Parlament. Der kennt sich schon aus im Fußball. Und die deutschen Kollegen natürlich auch. Der Markus Pieper zum Beispiel.
Und wer ist der Herr Pieper?
Ein guter Freund. Der ist EU-Abgeordneter aus dem Münsterland. Und Präsident der Sportfreunde Lotte. Der freut sich auch schon aufs Wochenende. Die spielen ja gegen den VfL Bochum. Und andere Parlamentarier haben zu mir ja auch gesagt: Mensch, Ulmer, jetzt bist du endlich mal im Fernsehen.
Was Sie als Politiker selten sind.
Richtig. Weil Fußball direkter ist, die EU-Politik passt oft gar nicht in eine kurze Sendung rein. Politik ist einfach viel komplizierter als Fußball.
Und auch weniger beliebt, während von einer Fußballverdrossenheit im Land wenig zu spüren ist.
Da haben Sie ganz Recht. Ich wär’ sofort dafür, Elemente des Fußballs ins Parlament mit hinüberzunehmen. Gelbe und Rote Karte etwa. Oder schnelle Entscheidungen. Im Fußball gibt es spätestens nach dem Elfmeterschießen ein Ergebnis. Bei uns geht’s dagegen noch fünfmal in den Vermittlungsausschuss, und selbst dann ist nicht sicher, dass ein Ergebnis feststeht.
Politiker gelten heute weniger als Vorbilder, Fußballer sind dagegen Idole.
Aber das war doch schon immer so. Ich hab’ ja meine Vorbilder auch im Fußball gehabt. Einer wie den Schwarzenbeck, den hab’ ich schon als Kind immer bewundert. Oder heute den Schweinsteiger, den Lahm, das sind klassische Vorbilder, die sind so unauffällig und tapfer, und halten es auch gut aus, dass sie nicht die großen Stars sind.
Sie meinen, wie ein Ribéry.
Der Ribéry ist ein Genie. Der würde in jeder Mannschaft auffallen. Bei uns auch. So rein vom Spielerischen her tät’ ich den schon nehmen.
Dann fragen Sie ihn doch, ob er nicht nach Neckarelz kommen will. Da sagt er Real Madrid bestimmt gleich ab.
Ich hab’ die leise Befürchtung, dass er nicht in mein Gehaltsgefüge passt. Und ehrlich gesagt: auch nicht in die Mannschaft. Der Ribéry, der wär’ mir zu zickig. Mit dem ganzen Theater, ob er wechselt oder nicht. Ich hätt’ zu ihm gesagt: Junge, jetzt hast du eine Stunde Zeit, und dann sagst du ja oder nein, ob du bleibst oder gehst. Das ewige Hin und Her überträgt sich ja auch auf den Betrieb, da muss der sich schon auch einordnen. Auch wenn er Ribéry heißt. Einen Leitwolf braucht jede Mannschaft, aber keine Diva.
Dann würden Sie sein Trikot nach Abpfiff am Sonntag gar nicht wollen, selbst wenn er spielen würde?
Nein, eher das vom Schweinsteiger. Das würd’ ich gerne nehmen. Ich muss ja ehrlich zugeben, ich bin Bayern-Fan.
Sie sind ja auch halber Münchner. Haben ja lange hier gelebt.
Drei Jahre. Erst Grünwald, dann Neuherberg, dann im Lehel. Da bin ich auch oft im Olympiastadion gewesen, beim Landesmeisterpokal 1985 zum Beispiel, das 4:1 gegen Gornik Zabrze.
Was für ein Knaller.
Oder auch zur Oktoberfestzeit, das weiß ich noch gut. Da war Waldhof Mannheim da, die haben da noch den Schlappner gehabt als Trainer. Die waren schon nach ein paar Sekunden auch gleich einsnull vorn.
Wahrscheinlich aber nicht lange.
Doch doch, sehr lange, bis weit in die zweite Halbzeit rein. Am Ende haben die Bayern aber doch noch drei-eins gewonnen.
Jede Wette, dass Sie es besser machen.
Das will ich hoffen.
Bestimmt. Wir sehen Sie nach dem Kantersieg über die Bayern und dem Durchmarsch in den nächsten Runden dann also in Berlin wieder. Haben Sie denn schon einen Wunschgegner fürs Pokalfinale am 15. Mai?
Aber natürlich, da gibt es nur einen Verein.
Verraten Sie es. Schalke? Stuttgart? Hoffenheim?
Ach woher, nein. Da freu ich mich dann auf die Sportfreunde Lotte.
Interview: Florian Kinast