Bayern gegen Dortmund: "Das ist wie der Clásico"
Hier erklärt Sky-Kommentator Marcel Reif, was das Duell der Bayern gegen Dortmund mit der Partie Barca - Real gemeinsam hat – und warum es auch das Finale der Champions League sein könnte
AZ: Herr Reif, das Spitzenspiel am Samstag: Der FC Bayern mit elf Punkten Vorsprung, aber auch mit zuletzt fünf Niederlagen gegen Dortmund im Gepäck. Was wird das denn für ein Spiel?
MARCEL REIF: Das erklärt es ja schon. Diese fünf Niederlagen in Folge haben die Bayern nicht vergessen – aber Bayern ist eine Mannschaft, die die Qualität hat, auf so was zu antworten. Ich glaube, da ist noch eine große Rechnung offen. Das ist kein normales Drei-Punkte-Spiel. Das wird zwar jeder sagen, das ist aber nicht so. Ich glaube, dass es für Bayern darum geht, Dinge zurechtzurücken, die aus ihrer Sicht entschieden falsch gelaufen sind in den letzten zwei Jahren.
Für den FC Bayern ist es aus psychologischer Sicht sicher kein einfaches Spiel. Einerseits motiviert die Niederlagen-Serie, andererseits besteht die Gefahr, übermotiviert in das Spiel zu gehen.
Mit ihrem breiten Kader, mit international so erfahrenen Spielern passiert so etwas eigentlich nicht. Dortmund hat jedoch in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass sie immer eine Antwort parat hatten auf das, was die Bayern vorhatten. Die Dortmunder wissen ja, was auf sie zukommt. Ich bin sehr gespannt, wie Jürgen Klopp reagiert. Die haben Real Madrid, Ajax Amsterdam und Manchester City sehr schön klein gehalten. Das ist ein Spiel mit Champions-League-Qualität, mit höchster Champions-League-Qualität.
Wäre eigentlich auch ein feines Finale.
Da spricht im Moment wenig dagegen.
Bleiben wir bei der Königsklasse. Im Gegensatz zur vergangenen Saison glänzt der BVB dort heuer, lässt dafür aber in der Liga Punkten liegen. Ist es diese Breite in der Spitze wie Berti Vogts so schön sagte, die den Unterschied zwischen Bayern und Dortmund ausmacht?
Das ist die Erklärung dieser Saison. Die Bayern haben in ihrem Kader das repariert, was nicht in Ordnung war. Die Mannschaft hat sich selber aufgestellt – das ist jetzt nicht mehr der Fall. Jeder weiß, dass da draußen mindestens einer sitzt, der es möglicherweise besser macht. Daher ist die Breite, die die Bayern haben überragend. Die Dortmunder haben dagegen eine erste Garnitur, dann kommen noch ein, zwei, drei, aber dann nicht mehr viel mehr, die auf höchstem Niveau einen der Top-Spieler ersetzen können.
Gewinnt Bayern, ist die Saison entschieden. Korrekt?
Ja, aber das dürfen wir natürlich nicht sagen, weil wir sonst Ärger kriegen, mit Matthias Sammer zum Beispiel. Und das möchte ich nicht. Wir beide haben den selben Italiener, und da möchte ich in Ruhe essen.
Andersrum: Wenn Dortmund gewinnt, fängt bei Bayern wieder alles an zu wackeln?
Das muss man mal sehen. Es geht ja auch darum, was man mit unter den Weihnachtsbaum nimmt. Eine fünfte Liga-Niederlage in Folge wäre dramatisch. Das ist für die Bayern nicht akzeptabel. Bei den Dortmundern steht es ja nicht in der Satzung, dass sie Meister werden müssen. Wenn sie dieses Jahr nicht Meister werden, aber in der Champions League ein gutes Stück weiter kommen und in der Liga einen Champions-League-Platz holen, dann wird ihnen das schon recht sein. Eine Niederlage für die Bayern wäre sehr, sehr viel bedeutsamer. Aber wackeln wird das Gebäude deswegen nicht. Den Bayern dieses Jahr die Meisterschaft wegzunehmen, wird sehr, sehr schwer.
Und wie geht's am Samstag aus? Sie wissen's doch, oder?
Nee. Aber ich freue mich unglaublich auf das Spiel. Das ist wie der „Clásico” (Barcelona gegen Real Madrid, d. Re.d). Das sind zwei Mannschaften, die sich mit jedem auf dieser Welt messen können. Es gab mal den Spruch: ,Wir haben die beste Liga der Welt.' Das ist ungefähr 200 Jahre her, und dann haben wir schön den Anschluss verpasst und mussten aufpassen, dass uns nicht Rumänien Europa-Plätze streitig macht. Heute stehen wir auch sportlich so gut da wie kaum ein anderer. Und dieses Spiel ist jetzt die vorläufige Krönung einer prima aufgestellten Liga.