Bayern-DNA verzweifelt gesucht: Wo bleibt das berühmte "Mia san mia"?

Nur ein Sieg in sechs Bundesliga-Spielen, von "Mia san mia" ist beim Serienmeister im Moment nicht viel zu spüren. "Nagelsmann muss vorsichtig sein, die Kabine darf er nicht verlieren", warnt Lothar Matthäus.
von  Matthias Kerber
Unter Julian Nagelsmann läuft es beim FC Bayern aktuell alles andere als optimal.
Unter Julian Nagelsmann läuft es beim FC Bayern aktuell alles andere als optimal. © IMAGO / MIS

München - Desoxyribonukleinsäure – die DNA, sie trägt die Erbinformationen. Beim FC Bayern, diesem Serientäter in Sachen Meisterschaft (zehn in Folge, insgesamt 32), ging man bisher fast davon aus, dass das Sieger-Gen zusammen mit den Klubwappen von Fußballer-Generation zu Fußballer-Generation übertragen wird.

Unabhängig von dem Personal, das auf dem Platz dem Ball nachjagte, regelmäßige Punkte von seinen Beutezügen mitbrachte und am Ende am Balkon des Rathauses die Schale emporrecken konnte. Das wurde in der Uns-zieht-keiner-die-Lederhosn-aus-Attitüde und Mia-san-mia-Mentalität mit einer derartigen Selbstverständlichkeit zur Schau getragen, dass die Protagonisten, aber auch die Gegner, vom Endergebnis überzeugt waren: Bayern holt die Meisterschale. Und die kann als Postadresse längst die Säbener Straße 51 angeben.

Verkehrte Fußball-Welt in Dortmund

Doch in dieser Saison, der zweiten von Trainer Julian Nagelsmann, der in seiner Debüt-Spielzeit mit dem Meistertitel schon hinter den stets riesigen Erwartungen der Chefetage zurückgeblieben war, dem man, um diesen Missstand Abhilfe zu schaffen mit Sadio Mané, Ryan Gravenberch, Matthijs de Ligt, Noussair Mazraoui, Mathys Tel hochwertige Verstärkungen hatte zukommen lassen, läuft es anders.

Bayern hat nur in vier von neun Spielen den Platz mit breiter Siegerbrust verlassen, in den letzten sechs Partien gab es einen Dreier, vier Remis, eine Pleite.

Gerade bei Erzrivale Borussia Dortmund herrschte am Samstag verkehrte Fußball-Welt. Die Münchner verspielten eine 2:0-Führung, kassierten in der 95. Minute das 2:2 durch Modeste. "Das ist eigentlich nicht Bayern-like, wenn man 2:0 führt, sollte man das Spiel gewinnen", sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß beim "Sonntags-Stammtisch" des BR. Bayern-like wäre gewesen: "Mia san mia. Einfach großes Selbstvertrauen und den anderen sagen: Jetzt kommt's mal schön und dann haut man ihnen das dritte rein."

Badstuber: "Habe das Bayern-Gen nicht mehr gesehen"

Genau dieses Mia san mia vermisst man gerade beim FC Bayern. Was ist mit der Bayern-DNA unter Nagelsmann, den der frühere Vorstandsboss des FC Bayern, Karl-Heinz-Rummenigge, als "Trainer-Talent" bezeichnete, passiert? "Ich habe das Bayern-Gen nach dem 2:0 nicht mehr gesehen. Die Gier, den Willen, alles dafür zu geben, den BVB im eigenen Stadion zu destruieren, habe ich regelrecht vermisst", sagte Ex-Bayern-Star Holger Badstuber in seinem Blog (www.badstuber28.de): "Es wird keine leichte Saison für Bayern werden, wenn es nicht schnell gelingt, die Grundeinstellung zu verbessern und die Schwankungen innerhalb der Spiele abzustellen."

Badstuber ist beileibe nicht der einzige Mahner. Deutschlands Rekordnationalspieler, der langjährige Bayern-Kapitän Lothar Matthäus, sieht schon die Menetekel an der Wand. "Sechs Bundesligaspiele, ein Sieg. Ich glaube, es ist über zwei Jahrzehnte her, dass man das letzte Mal so ein Ergebnis hergegeben hat", sagte er bei "Sky90": "Vielleicht sind einige Spieler in dieser Saison nicht mehr so bereit wie in den Jahren zuvor. Dieses Quälen, dass Bayern in Augsburg dagegen hält oder auch in Dortmund die letzten 20 Minuten, das muss wieder in die Mannschaft rein."

Da ist jeder einzelne Spieler, aber auch der Trainer, der ja die Personalentscheidungen trifft, gefordert. "So was wird natürlich in der Kabine beobachtet und auch diskutiert. Da muss er vorsichtig sein, der Julian. Die Kabine darf er nicht verlieren", sagte Matthäus.

Wer die Kabine verliert, der verliert auch schnell seinen Job. Vorstandsboss Oliver Kahn hat ja schon vor dem Spiel der Bayern am Mittwoch in der Champions League bei Viktoria Pilsen die Daumenschrauben angezogen und "Ergebnisstabilität" eingefordert. Präsident Herbert Hainer legte bei "Blickpunkt Sport" gewichtige Worte nach: "In der Bundesliga sind wir definitiv nicht zufrieden." Das sei schlicht nicht der Anspruch des FC Bayern. "Das muss man ganz klar sagen. Und deswegen müssen wir sofort in die Spur kommen."

Zur entstehenden Trainerdiskussion um Nagelsmann, den man ja nicht umsonst mit einem Fünf-Jahresvertrag versehen hatte, meinte Hainer: "Er ist ein junger, innovativer und kreativer Trainer, der eine große Karriere vor sich hat. Er ist ein sehr reflektierter, sehr intelligenter Mann, der genau weiß, was zu tun und zu machen ist." Was zu machen ist?

Die Bayern-DNA wieder zu finden – und dann schnell zu aktivieren.

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