Bayern: Denn sie wissen nicht, wo sie stehen

Bayern holpert in die Saison, auch das 0:0 gegen Werder war kein Schritt nach vorne. Für Lahm liegt das noch an der WM, Rummenigge ärgert der Terminplan, van Gaal „glaubt nicht in Kaufen“.
MÜNCHEN Man kann die Sache so sehen aus der Sicht des FC Bayern: Schon fünf Punkte Rückstand auf Hoffenheim, ach du liebes bisschen! Schon drei auf Hamburg, Hannover – um Gottes Willen. Andererseits: vier Punkte Vorsprung auf Vizemeister Schalke, ebenso auf Wolfsburg und Stuttgart. Nett, aber braucht’s das? Nach drei Spieltagen?
So in etwa ist die Gefühlslage beim FC Bayern nach dem 0:0 vom Samstagabend gegen Werder Bremen: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Weder Sekt noch Selters. Ganz okay, aber auch nicht ganz so doll. Bei den Fans mischten sich nach Spielende Applaus und Pfiffe, das Ergebnis war der enttäuschende Output eines ansehnlichen, unterhaltsamen Spiels. Ein Sieg gegen Wolfsburg, eine Pleite in Kaiserslautern – nun die Nullnummer gegen Bremen. Ein rumpliger, stacksiger Start, doch kein Vergleich zur Situation am dritten Spieltag der vergangenen Saison. Damals war das 1:2 in Mainz ein echter Tiefpunkt, die erste Hälfte wohl die schlechteste der gesamten Ära van Gaal. „Wir spielen jetzt viel besser, es war ja auch ein Spitzenspiel“, sagte van Gaal, „es war nicht wie letztes Jahr, aber wir haben nicht viele Punkte mehr. Zwei mehr – und das ist zu wenig.“ Zur Krise zu viel, zur Meisterschaft zu wenig. Sie sind im Niemandsland, irgendwo zwischen Saisonbeginn und noch andauernder – sich selbst eingeredeter Vorbereitung. Denn sie wissen nicht, wo sie stehen.
Man fahndet nach Erklärungen, verteidigt Beschlüsse. Die Themen laut der hausinternen Problem-Suchmaschine:
Die WM in Südafrika:
Sie ist zwar schon zwei Monate her, aber immer noch nicht frei von Schuld. „Man kann schon sagen, dass einige geschlaucht sind“, sagte etwa Miroslav Klose. 13 Spieler waren bei der WM. „Dass wir noch nicht bei 100 Prozent sind, sieht man bei jedem Spiel. Nicht nur physisch, auch psychisch“, klagte Philipp Lahm.
„Sparfuchs“ van Gaal:
Als er diesen Beinamen im ZDF-Interview verpasst bekam, lachte der Holländer, verteidigte danach seine Null-Cent-Einkaufsstrategie: „Wir haben eine Mannschaft von 24 Spielern und wir müssen jedem Spieler eine Perspektive geben. Ich glaube nicht in Kaufen, und wenn man nach Schalke oder Manchester City schaut, dann sieht man, dass ich Recht habe.“
Der Terminplan:
Mit der Partie gegen Werder startete ein Zwischensprint mit sieben Spielen in 23 Tagen – Fluch oder Segen? „In den Spielen holen wir uns die Fitness“, verspricht Lahm. Zuvor war der Spielplan durch die Länderspiele zerpflückt. „Wenn ich erbost bin, dann über den Fußball-Kalender“, schimpfte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, „es kann nicht sein, dass nach einer WM den Trainern zugemutet wird, dass drei Länderspiele stattfinden. So kann man keinen Rhythmus aufbauen, und der fehlt uns, um das Tor zu machen und dann 1:0 zu gewinnen.“ Dennoch viertens:
Die Chancenverwertung:
Nach 14 Heimspielen stand auch vorne die Null. „In der zweiten Hälfte haben wir drei 100 Prozent-Karat-Chancen kreiert“, sagte van Gaal, „da muss man ein Tor schießen. Schade, dass ich das wieder sagen muss wie im letzten Jahr. Da hab ich das drei Monate getan. Und jetzt muss ich das wieder sagen.“ Sicher, Arjen Robben, der Kreativste, der Beste der letzten Saison, fehlt. Und am Mittwoch zum Champions-League-Auftakt gegen den AS Rom auch noch Franck Ribéry, seine Rot-Sperre aus dem Halbfinale im April gilt noch ein Spiel. Das wiederum ist nun eindeutig negativ.
Patrick Strasser