Bayern ahoi!
Am Samstag will das Team von Louis van Gaal – voraussichtlich erstmals von Beginn an mit dem Traumduo Robbéry – Spitzenreiter Hamburg stürzen. Die AZ vergleicht die beiden Topteams.
MÜNCHEN Der Nord-Süd-Gipfel, Erster gegen Dritter. Müsste Franz Beckenbauer einem seiner Kosmopolitenfreunde die Bedeutung des Gastspiels der Bayern in Hamburg erklären, er würde wohl sagen: „We call it a Klassiker.“ Recht hat er. Die Münchner, wohl erstmals von Beginn an mit Franck Ribéry und Arjen Robben, wollen den HSV stürzen: Bayern ahoi! Doch wie sieht es vor dem Spiel am Samstag (18.30 Uhr) aus bei den Topklubs? Der AZ-Check, bewertet mit Brezn und Fischen:
DIE FORM
Bayern: Fünf Siege in Serie, 18:2 Tore - mit breiterer Brust kann man kaum nach Hamburg fahren. Der Kader ist so voll, dass Weltmeister Luca Toni wieder in Liga 3 Spielpraxis sammeln muss – gegen Erzgebirge Aue. Unsicher war der Einsatz des aktuellen Top-Torschützen Daniel van Buyten: Probleme mit der Kapsel des linken Sprunggelenks. Doch das Abschlusstraining am Freitag absolvierte er problemlos. Entwarnung beim stürmenden Innenverteidiger. Fünf Brezn
HSV: Die schöne Anfangsserie mit fünf Siegen in sechs Spielen ist längst gerissen. Zuletzt gab es nur ein Remis gegen Frankfurt und derbe Blamagen in Wien und Osnabrück. Sage und schreibe vier Mann fehlen mit Kreuzbandriss (Guerreo, Alex Silva, Benjamin, Stepanek) – und Zé Robertos Einsatz ist nicht zu 100 Prozent sicher (Muskelverhärtung in der Wade). Im Mittelfeld kehrt Jarolim nach seiner Pokalsperre für Tesche zurück. Nur gegen Bayern hat Hamburg eine negative Heimbilanz: 13 Siege, 20 Pleiten. 2 Fische
DIE STIMMUNG
Bayern: „Ein ganz normales Spiel“, sagt der Ex-Hamburger Ivica Olic. „Schon ein besonderes Spiel“, sagt der Ex-Hamburger Hans-Jörg Butt. Bei ihm ist seine Hamburger Zeit schon eine Weile her (1997-2001), „aber es waren vier tolle Jahre da, ich habe den Stadionumbau miterlebt, und es ist einfach genial, bei so einem Spiel dabei zu sein“. Für Butt-Verhältnisse geradezu ein Gefühlsausbruch. Louis van Gaal gibt sich einerseits fordernd („Wir haben schon zu viele Punkte weggeben, das wollen wieder gutmachen“), kennt sich aber auch in psychologischer Kriegsführung aus. Über die zuletzt schwächelnden Hamburger sagt er: „Eine Niederlage hat immer Einfluss auf das kommende Spiel und das Selbstbewusstsein.“ 5 Brezn
HSV: „Ein ganz besonderes Spiel für mich“, sagt der Ex-Bayer Zé Roberto, „ich habe da sechs Jahre gespielt, acht Titel gewonnen. Das war eine wunderbare Zeit.“ Nico Kovac, der bei beiden Klubs spielte, sieht die Hanseaten stimmungsmäßig im Vorteil: „In München gehören Siege und Titel zur Normalität. In Hamburg ist das nicht so. Da ist die Euphorie bei Siegen viel größer. Schließlich will man nach 26 Jahren auch mal wieder Meister werden.“ Der gebürtige Hamburger Andreas Brehme sieht das ähnlich: „In München wird nur gefeiert, wenn die Mannschaft vorne liegt.“ Der Trainer hat derweil alles im Griff, sogar die Gedanken seiner Spieler: „Das Bayern-Spiel war nicht in den Köpfen drin“, sagt Bruno Labbadia über die Pokalblamage zuletzt in Osnabrück. 4 Fische
DIE WECHSELBÖRSE
Bayern: Drei „Münchner“ standen früher in Diensten der Hamburger: Daniel van Buyten, Ivica Olic und Hans-Jörg Butt. Alle freuen sich auf das Wiedersehen mit den alten Bekannten. „Viele Freunde haben angerufen“, erzählt Olic, „aber ich habe gesagt: Wir können uns erst nach dem Spiel sehen.“ Vor der Partie hätte van Gaal wohl etwas dagegen. Mit Olic hatte er über Stärken und Schwächen seines Ex-Klubs gesprochen. Bayerns Vorteil: Alle drei „Hamburger“ sind prima Form und dürfen sich als gesetzt fühlen. 5 Brezn
HSV: Man kann fast von einer Münchner Filiale sprechen. Fünf „Hamburger“ trugen einst das Trikot des FC Bayern: Zé Roberto, Piotr Trochowski, David Jarolim, Paolo Guerrero, Marcell Jansen. Die beiden Letzteren fallen gegen ihren alten Klub aus, hinter Zés Einsatz steht ein Fragezeichen. Keine leichte Phase für Filialleiter Labbadia, der sich als Ex-Bayer zur Wiesn äußern musste: „Das Oktoberfest habe ich erst nach meiner aktiven Zeit kennengelernt. Als Spieler war es schwer, da man ja fast alle drei Tage ein Spiel hatte.“ Manchen Bayern-Spieler juckt so was nicht. 2 Fische
DIE CHEFETAGE
Bayern: Die Umbauarbeiten sind in vollem Gang. Christian Nerlinger gab bislang ein eher unauffälliges Debüt als Sportdirektor. Gesucht wird noch der Mensch, der bei Uli Hoeneß’ Umzug auf den Präsidentenstuhl den wirtschaftlichen Part seines Manager-Jobs übernimmt. Alles in der Spur. 4 Brezn
HSV: Nach dem Rauswurf von Dietmar Beiersdorfer klafft beim HSV auf der Position des Sportdirektors ein Loch. Labbadia kann das nicht füllen. Sogar die Ex-Bayern Roman Grill und Oliver Kreuzer waren im Gespräch, wurden aber wieder hinauskomplimentiert. Für einen Klub, der sich international etablieren will, eine suboptimale Situation. 1 Fisch
Thomas Becker