Bayerische Solidität: Wie krisenfest ist der FC Bayern im Vergleich zur Konkurrenz?
München - Im lauten Getöse, dem Streit der Fan-Basis und den Bossen des FC Bayern um das umstrittene Katar-Sponsoring ging ein Punkt letzten November beinahe unter. Ein Antrag von Mitglied Michael Ott, dass künftig die Mitgliederversammlung des FC Bayern zustimmen müsse, sobald die Anteile oder Stimmrechte des Vereins an der AG unter 75 Prozent fallen, verfehlte knapp die Dreiviertelmehrheit.
Bisher liegt die Grenze bei 70 Prozent. Der Mutterverein (eV) hält als Hauptanteilseigner 75 Prozent, die Sponsoren Adidas, Allianz und Audi jeweils 8,33 Prozent der Anteile. Präsident Herbert Hainer und Vorstandsboss Oliver Kahn flehten geradezu, dass der Vorstand angesichts der finanziellen Belastungen in der Corona-Pandemie diese fünf Prozent "Manövriermasse" brauche.

Pandemiebedingter Umsatzverlust von 150 Millionen Euro
Im Sommer letzten Jahres bezifferte Hainer den Umsatzverlust durch die Pandemie auf 150 Millionen Euro, es wird deutlich mehr geworden sein seitdem. Für andere Vereine nahm diese Laune der Natur gar existenzielle Ausmaße an. Fonds wurden geschaffen, Ausgleichszahlungen bewilligt. Bundesliga-Vereine erhielten Überbrückungshilfen aus dem Corona-Förderprogramm des Bundes, wie zuletzt bekanntgeworden, bekam beispielsweise Hertha BSC sieben Millionen Euro ausbezahlt.
Das nächste, unvorhersehbares Ereignis: der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Für den FC Chelsea und Noch-Besitzer Roman Abramowitsch war der Donnerstag der schwärzeste Tag der Vereinsgeschichteaufgrund der Sanktionen gegen Diktator Putin, die russische Wirtschaft im Allgemeinen und russische Oligarchen im Speziellen. Abramowitschs Vermögen wurde von der britischen Regierung eingefroren, ein Verkauf des Vereins ist aktuell nicht möglich.
Der Russe darf keine Gewinne erzielen, Chelsea auch nicht. Keine Transfers, keine Ticketverkäufe mehr. Fanshops wurden geschlossen, der Online-Verkauf eingestellt. Auswärtsreisen werden finanziell gedeckelt. Trikot-Sponsor "Three", ein Mobilfunkunternehmen, setzte den Sponsoring-Vertrag aus, weitere Geldgeber, unter anderem Ausrüster Nike, sollen/wollen/müssen folgen. Der amtierende Champions-League-Sieger steht vor dem Aus.
Der Tabellendritte der Premier League kann möglicherweise nicht mal mehr die Saison zu Ende spielen.
Ein Verein zerbröselt. Chelseas "Zusammenbruch" ("Daily Mirror") wird nicht mal dem früher erbitterten Abramowitsch-Gegner Uli Hoeneß gefallen. Schließlich droht Fußball-Klubs, die sich von einem Investor, einer Holding oder einem Staat abhängig gemacht haben, angesichts der geopolitischen Lage und ähnlicher unvorhersehbarer Ereignisse (Kriege, Klimakatastrophe), welche die Weltmärkte erschüttern, ein ähnliches Schicksal. Was ist, wenn die Investorengruppe "Qatar Sports Investments" nach dem zu frühen Champions-League-Aus ihres gepimpten Star-Ensembles Paris St.-Germain um Messi, Neymar & Mbappé nach elf Jahren keine Lust mehr hat und den Stecker zieht?
Man denke an einen aufgeblasenen Luftballon, den man - ohne Knoten - einfach loslässt. Hierzulande beendete Schalke, mit rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten belastet, seine Zusammenarbeit mit Hauptsponsor Gazprom. Der russische Staatskonzern war bislang wichtigster Geldgeber der Schalker.
Wie krisenfest ist der FC Bayern in diesen turbulenten Zeiten?
Es gab viel Lob und Zustimmung für diesen Schritt - langfristig werden die Kassen der Knappen dadurch stetig knapper. Bei Hertha BSC droht der Ausstieg von Investor Lars Windhorst. Und wenn die Konzerne, die den VW - sorry - den VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen oder RB Leipzig finanzieren, sich anderen Dingen widmen wollen oder müssen, heißt es auch hier: Pffffffft!
Ähnlich die Lage bei Bayerns Gegner am Samstag, der TSG Hoffenheim. Dank Mäzen Dietmar Hopp, Mitbegründer des IT-Unternehmens SAP, zugleich Hauptsponsor des Klubs, kämpft der Verein aus dem Ort mit etwas mehr als 3.000 Einwohnern aktuell um die erneute Champions-League-Qualifikation. Skurril genug.
Wie krisenfest ist also der FC Bayern in diesen turbulenten Zeiten? Hauptsponsor Telekom will laut "Sport Bild" den bis 2023 datierten Vertrag um drei Jahre verlängern und künftig 50 statt 45 Millionen per annum bezahlen - ein bisschen Planungssicherheit. Bei millionenschweren Vertragsverlängerungen mit den Leistungsträgern Robert Lewandowski, Thomas Müller und Manuel Neuer ist die aktuelle Führung vorsichtig zurückhaltend.
Und der 2023 endende Vertrag mit Qatar Airways, der rund 20 Millionen pro Jahr einbringt? Vielleicht sollten Kahn und die Bayern diesmal der weltpolitischen Lage zuvorkommen und das Engagement nicht verlängern. Sympathie und Anerkennung sind auch eine Währung.