„Bastian ist vom Erfolg besessen“
Exklusiv in der AZ lobt Bundestrainer Joachim Löw Bayerns Torgarant Schweinsteiger, freut sich über den positiven Trend bei Gomez und die stabilen Leistungen der WM-Stars Müller und Badstuber
AZ: Herr Löw, am Freitag spielt der FC Bayern gegen die Mannschaft Ihres Wohnortes, gegen den SC Freiburg. Glauben Sie, dass die Mannschaft nach den schwierigen letzten Wochen und mit dem Schwung aus dem glücklichen 2:1 im Pokal gegen Werder Bremen nun in der Bundesliga das groß angelegte Überholmanöver starten kann?
JOACHIM LÖW: Mit den Bayern muss man doch immer rechnen. Man muss aber fairerweise immer wieder daran erinnern: Sie hatten 13 Spieler bei der WM in Südafrika, davon waren elf in den Halbfinal-Spielen.
Selbst von Seiten der Bayern aber hieß es, dass mit diesem Argument nun Schluss sein sollte.
Da haben Sie sicher Recht. Nur als Bundestrainer weiß ich, wie hoch diese Belastung war, nicht nur körperlich, auch mental. Es war doch klar, dass da am Anfang die Frische fehlte, man nicht eingespielt sein konnte. Aber sie werden sich finden und wieder fangen – sie haben ja schon damit angefangen. Ihr Vorteil: Sie kennen Trainer Louis van Gaal, sein System und seine Methoden - wissen, wie er arbeitet.
Die Bayern wähnen sich trotz ihrer Verletztenmisere nach den letzten Ergebnissen über dem Berg.
Ich glaube, dass es gegen Ende der Hinrunde generell zäher wird, dann geht es an die Substanz, an die Kräfte, man muss sich aufraffen. Manche haben nach der WM noch die Euphorie, andere brauchen zwei bis drei Monate, um ihre Bestform zu finden, andere spielen ein halbes Jahr schwankend – jeder Spieler verkraftet so ein Turnier anders. Aber unterm Strich bin ich überzeugt: Bayern kommt wieder nach oben.
Weil sie einen Bastian Schweinsteiger in Weltklasseform haben, der die Belastungen der WM mittlerweile wohl abgeschüttelt hat.
Ich habe seinen Reifeprozess über die Jahre genau verfolgt. Seit 2006 ist er in seiner Persönlichkeit unheimlich gereift. Er betreibt seinen Beruf sehr, sehr professionell, arbeitet auch im Training immer konzentriert, Bastian ist absolut besessen vom Erfolg – dass er diese enorme fußballerische Klasse hat, das steht ja außer Frage.
Louis van Gaal bezeichnet ihn als seinen Chef auf dem Platz.
Für mich war er schon vor der WM mein "emotionaler Leader". Er möchte wahnsinnig viel Verantwortung übernehmen. Er fordert auf dem Platz ständig den Ball, ist permanent präsent. Was ihn auszeichnet: Es ist dabei egal, wie es im Spiel steht oder wie es für ihn persönlich läuft. Er will, das zählt.
Bekommt er im Testländerspiel am 17. November in Göteborg gegen Schweden eine Pause?
Bastian hat hervorragende physische Voraussetzungen, er war schon immer belastbarer als manch anderer Spieler. Außerdem war er ja durch seine Verletzung bei den letzten beiden Länderspielen in der EM-Qualifikation (gegen die Türkei und in Kasachstan, d.Red.) nicht dabei. Er ist ein Typ, der ja am liebsten immer spielen will. Ich werde das nächste Woche mit ihm besprechen.
Was sagen Sie zur Entwicklung von Thomas Müller und Holger Badstuber in ihrer zweiten Profisaison?
Es war ja die Frage: Wie verkraften die Jungen solch eine WM? Das ist alles nicht so einfach. Ich bin mit der Entwicklung der jungen Spieler absolut zufrieden. Das spricht für ihre Qualität und ihre Reife – und das in ihrem Alter. Müller arbeitet auf dem Platz unermüdlich, ist eine ständige Gefahr für den Gegner, macht seine Tore. Bei Holger Badstuber bin ich beeindruckt wie er das macht an der Seite von Per Mertesacker in der Innenverteidigung. Er spielt da, als wäre er schon immer da gewesen, hat seinen Platz in den letzten Länderspielen gefestigt. Eine hervorragende Entwicklung.
Wie sehen Sie das Comeback von Toni Kroos beim FC Bayern? Er macht alle Spiele, hat aber den Durchbruch noch nicht ganz geschafft, oder?
Toni hat immense technische Fähigkeiten, die nötige Spielintelligenz, viele gute Ideen auf dem Platz - man muss bei ihm auch immer wieder bedenken, was für ein junger Spieler er ist.
Wieder in der Spur ist Mario Gomez. Er ist nun Stammspieler, hat sich mit den drei Treffern gegen Hannover aus der persönlichen Krise befreit.
Über seine Entwicklung freue ich mich ganz besonders. Es war ja nicht so einfach für ihn in den vergangenen Monaten. Bei der WM hatte Klose gleich im ersten Spiel getroffen, steigerte sich im Verlauf des Turniers noch. Doch Mario hat im Training nie nachgelassen, immer hart gearbeitet, das war menschlich top. Nun wollte er sich unbedingt beweisen, hat das Tal durchschritten, kam mit den drei Toren gegen Hannover zurück. Seine Qualitäten als Stürmer sind herausragend, nun hat er auch wieder Selbstvertrauen.
Wird er in Schweden dabei sein?
Mario hatte ja nicht so eine hohe Belastung seit Saisonstart, hat für uns auch in Kasachstan getroffen. Ich werde ihn wohl nominieren.
Interview: Patrick Strasser