Ballacks Rückkehr: Einer gegen alle

Am Samstag kehrt Michael Ballack ein letztes Mal als Spieler nach München zurück, wo er einst in Ungnade gefallen war. Schwer hat es der Altstar aber auch in Leverkusen.
von  Thomas Becker

München - Wenn Michael Ballack am Samstag (18.30 Uhr, Sky und Liga total live) mit Bayer Leverkusen in die Allianz Arena einläuft, wird das ein Abschiedsspiel in München sein. Es ist die letzte Bundesligasaison des ab Montag 35-Jährigen, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Es müsste viel passieren, dass er sich irgendwann mit Freude an diese Zeit erinnert. Das letzte Jahr ist ein Kampf: einer gegen alle. Und das geht immer gleich aus: tragisch.

Der große Unvollendete: So muss man ihn wohl nennen. Zwar hat er in Deutschland und England reichlich Titel gesammelt (fünf Mal Meister, sieben Mal Pokalsieger), war drei Mal „Fußballer des Jahres“, aber bei den großen Finals sah er stets in die Röhre: WM 2002, EM 2008 sowie bei den Champions-League-Finals 2002 und 2008. Als ob all das nicht schlimm genug wäre, wollte ihn plötzlich niemand mehr. Eine Kurzchronik:

 


Erst verzichtete Chelsea auf seine Dienste, dann trat ihn Kevin-Prince Boateng aus der WM und letztlich auch aus der Nationalelf. Die konnte mit ihm und seinem Besuch in Südafrika gar nichts anfangen. Vielmehr brachte sich Außenverteidiger Philipp Lahm gegen den Platzhirschen mit der Kapitänsbinde in Position, ohne dass Bundestrainer Joachim Löw entscheidend eingriff. In den Reha-Monaten danach gewährte dem Super-Star niemand einen festen Arbeitsplatz, weder der Bundes- noch die Leverkusen-Trainer, die eher jüngeres, pflegeleichteres Personal bevorzugten. Es wurde einsam um den Ex-Leitbullen. Der Capitano mutierte zum Einzelkämpfer.


Das war er eigentlich auch schon am Ende seiner vier Bayern-Jahre. Trotz dreier Doubles und 47 Toren in 135 Spielen versiegte die Kritik der Bayern-Bosse Beckenbauer/Hoeneß/Rummenigge nie. Auch bei den eigenen Fans war Ballack eher das Gegenteil eines Publikumslieblings. Als Karl-Heinz Rummenigge auf der Jahreshauptversammlung 2005 verkündete, das Vertragsangebot an Ballack zurückzuziehen, ernete er tosenden Applaus. Ballack ging zum noch besser zahlenden FC Chelsea. Bei der Verabschiedung gab es Pfiffe und ein Plakat: „Der größte Söldner im Land – doch bald ist Michael Geldsack verbannt“. Der Neid der Liga gehörte ihm.


DFB-Sportdirektor Matthias Sammer meinte nun, Ballack müsse sich diesen Neid wieder erarbeiten, „ob als Spieler oder in einer neuen Karriere danach“. Ob ihm das Spieler noch mal gelingen kann, liegt allerdings in der Hand von Robin Dutt. Bislang machte der neue Bayer-Coach wenig Anstalten, Ballack zum Chef auf dem Platz zu machen, im Gegenteil. 90 Minuten am Stück hat Ballack in dieser Saison noch nicht gespielt. Es gab wohl Angebote aus dem Ausland, aber offenbar nicht ausreichend dotierte. Auch sein Traum von der US-Soccer-League wurde bislang nicht konkreter. Immerhin scheint er sich in der Kabine nun lockerer zu geben, nachdem das leidige Thema Nationalmannschaft endgültig vom Tisch ist.


Ob der Mann, nach dem die Volkssternwarte in Drebach (Erzgebirge) einst einen Planetoiden benannte, am Samstag überhaupt aufläuft, steht in den Sternen. In Chelsea durfte er zwar von Beginn an ran, was aber eher als Good-bye-London-Spiel und Geste Dutts gewertet werden darf. Schon in der nächsten Bundesligapartie, beim desaströsen 1:4 gegen Lokalrivale Köln, musste er nach 52 Minuten wieder raus – die nächste Demütigung. Zudem fehlte er in dieser Woche wegen Grippe zwei Mal beim Training. Gut möglich, dass Michael Ballack sein Abschiedsspiel in München schon gegeben hat: am 3. März 2010 gegen Argentinien, bei seinem 98. und letzten Auftritt im Nationaltrikot. Die Partie endete 0:1.

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